Gargantua Und Pantagruel
ersoffen war, bis ans Knie in den Wanst einbrach und ihn nicht wieder herausziehn konnte. Mußt' auch so lang drin stecken bleiben, bis Gargantua mit seinem Stab die übrigen Kutteln des Schelmen vollends in den Grund bohrt', damit das Pferd den Schenkel 'rausrenken konnt'. Und (was wunderbar in der Roßarzneikunst zu merken) so war dies Pferd von einem Überbein, das es an selbigem Fuß hatt', bloß durch die Anrührung der Gedärm dieses groben Lümmels geheilt und aus dem Grund kuriert worden.
Nicht lange darauf, nachdem sie das Ufer der Vede erstiegen, kamen sie in Grandgoschierens Schloß an, der ihrer mit großem Verlangen harrte. Herzten und drückten einander zum Willkomm mit offenen Armen; euer Leblang habt ihr nicht frohere Leut gesehen. Und es ist lautere Wahrheit, daß, nachdem sich Gargantua mit frischen Kleidern angetan und mit seinem Strähl (der, hundert Stab lang, mit ganzen Elefantenzähnen bezahnt war) strählt', ihm auf jeden Zug über sieben Ballen Kugeln aus den Haaren fielen, so darin bei Demolierung des Vedischen Forstes hangengeblieben.
Einunddreissigstes Kapitel
Wie Gargantua sechs Pilger im Salat aß
Die Sach erheischt, daß wir berichten, was mit sechs Pilgern sich begab, welche von St. Sebastian bei Nantes kamen und selbige Nacht, in Furcht vor den Feinden, zu einem Unterstand sich in das Bohnenstroh im Garten unter Kohl- und Lattichstauden verkrochen hatten. Gargantua spürt' ein wenig Durst und frug, ob man nicht Lattich haben könnt', einen Salat zu machen.
Und als er hört', daß es im ganzen Land die schönsten und größten da hätt', denn sie waren so groß wie die Nuß- oder Pflaumenbäum, ging er vor Lust selbst hin und bracht' in seiner Hand so viel davon mit, als ihm gut deucht'; und zu gleicher Zeit bracht' er auch die sechs Pilger mit, die sich vor großer Furcht und Angst weder zu reden noch husten trauten.
Wie er den Lattich nun am Brunnen vorläufig abwusch, sagten die Pilger mit leiser Stimme zueinander: »Ei, ei, was da zu tun? Wir ersaufen hier unter dem Lattich. Sollen wir reden? Reden wir aber, so tötet er uns gewiß als Kundschafter.« Während sie also noch ratschlagten, warf sie Gargantua mitsamt dem Lattich in einen Küchennapf, so groß wie das Faß zu Cisteaux, und aß sie mit Essig, Öl und Salz zu seiner Erfrischung vorm Abendbrot. Und hatte bereits fünf Pilger verschlungen. Der sechste lag noch im Napf verborgen unter einem Lattichblatt, bis auf den Pilgerstab, der drüber hervorguckte. Als den Grandgoschier sah, sprach er zu dem Gargantua: »lch glaub, da ist ein Schneckenhorn. Iß es nit.« – »Warum?« sprach Gargantua, »die sind gesund diesen ganzen Monat.« Ergriff damit den Stab und hub den Pilger daran zugleich mit auf und aß ihn lustig. Tat darauf einen schauderhaften Zug Zirbelwein, bis das Nachtessen fertig wäre.
Die so verschluckten Pilgersleut wandten sich, so gut ihnen möglich, aus den Mahlsteinen seiner Zähne und meinten, man hätt' sie ins unterste Gewölb eines Kerkers hinabgestoßen. Als aber Gargantua den großen Trunk tat, dachten sie nicht anders, denn sie müßten ihm all im Maul ersaufen; auch hätt' sie der Strom des Weins beinah in den Abgrund seines Magens geschwemmt: doch halfen sie sich mit ihren Stäben und sprangen daran, nach Art der Älpler so weit, bis sie am Rand der Zähne aufs Trockene kamen. Aber zum Unglück stieß einer von ihnen, wie er mit seinem Pilgerstab das Land sondiert', ob sie festen Boden gewonnen hätten, so heftig in die Grub eines hohlen Zahnes und traf den Nerv des Kiefers, daß dem Gargantua sehr weh geschah, und er vor wütendem Schmerz laut aufschrie. Doch dem Übel zu steuern, ließ er sich seinen Zahnstocher bringen, ging hinaus an den Walnußbaum und hub die lieben Pilgervöglein da aus dem Nest.
Den einen erhascht' er beim Bein, den andern bei den Schultern, den dritten beim Bettelsack, den vierten bei der Sparbüchs, den fünften beim Skapulier; und den armen Schelm, der ihn angebohret hatt', ergrapscht' er gar durch den Hosenlatz. So flohen die entnisteten Pilger im vollen Trott über Heck und Zaun, und das Zahnweh legte sich. Zu gleicher Zeit kam auch Eudämon, ihn zum Essen abzurufen, denn alles war fertig. – »So will ich dann«, sprach er, »auf den Schrecken mein Übel abschlagen.« Und fing damit so mächtig zu harnen an, daß das Wasser den Pilgern den Weg verschlug und sie das große Mühlwehr durchwaten mußten. Von da weiter am Busch entlang, gerieten sie auf gleicher
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