Gargantua Und Pantagruel
sprach Panurg, »ist er gewißlich hergestellt!« und gab ihm ein Glas weißen, herben Bauernkrätzer zu trinken und ein geröstetes Zuckerbrot. So wurde Epistemon geschickt kuriert; nur blieb er noch über drei Wochen lang heiser und behielt einen trockenen Husten, den er nur mit Trinken bekämpfen konnte. Sobald er wieder sprechen konnte, erzählt' er von seinem kurzen Aufenthalt in der Hölle und gab den Teufeln vor allen Leuten das Zeugnis, es wären gute Gesellen. Was die Verdammten anbetraf, meinte er, so wär' es ihm fast leid gewesen, daß ihn Panurg so bald auferweckt hätt'. »Denn«, sprach er, »die zu betrachten ist ein besonderes Vergnügen.« – »Wieso denn?« frug Pantagruel. – »Man hält sie«, antwortete Epistemon, »gar nicht so schlimm, als Ihr wohl glaubt, aber ihr Stand ist aufs seltsamste verändert. So sah ich Alexander den Großen, der flickte alte Hosen und verdient' damit sein elend Brot. Xerxes schrie Senf aus. Romulus war Salzsieder. Cyrus Kuhhirt. Themistokles Glaser. Brutus und Cassius Feldmesser. Achilles aussätzig. Agamemnon Tellerlecker. Nestor Schnapphahn. Darius Abtrittausleerer. Hasdrubal war Laternenputzer. Priamus handelt' mit alten Fähnlein.
Sämtliche Ritter der Tafelrunde waren armselige Tagelöhner, schwitzten am Ruder und fuhren über, wenn sich die Herren Teufel einmal ein Wasservergnügen machen wollen, just wie die Fährleut in Lyon und die Gondoliere zu Venedig.
Auch die zwölf Pairs von Frankreich sind da, hab' aber nicht gesehen, daß sie was täten. Ihr ganz Gewerb, von dem sie leben, ist, daß sie sich Backenstreiche, Fußtritte und schwere Faustpüffe gutwillig in die Zähn lassen geben.
Nero war Leiermann und der Riese Fierabras sein Famulus, aber der behandelte ihn wie einen Hund, gab ihm schwarzes Brot zu essen und sauern Wein zu trinken. Er selber aber aß und trank vom Besten.
Julius Cäsar und Pompejus waren Schiffspechner. Papst Julius schrie Pastetlein aus. Papst Bonifazius der Achte war Topfabschäumer. Papst Alexander war Kammerjäger und Papst Sixtus schmierte die Venerischen ein.«
»Wie?« früg Pantagruel, »hat's auch dort unten venerische Leut?« – »Ei wohl«, antwortet' Epistemon, »ich hab' ihrer nirgend so viel gesehen. Denn glaubt nur, wer in dieser Welt das fränkische Übel nicht gehabt hat, kriegt's in der andern.« – »Wetter!« fiel ihm Panurg ins Wort, »dann brauch' ich mich im Jenseits nicht zu fürchten.«
Epistemon fuhr fort: »Die vier Haymonskinder sind Zahnbrecher. Melusine Spülmädel. Kleopatra Zwiebelhökerin. Helena Magdverdingerin. Semiramis Bettlerlauserin. Dido ging mit Pilzen hausieren. Lucretia Spittelmeisterin.
Aber die Philosophen und die andern, die auf Erden Hunger gelitten haben, waren dort wiederum große Herren. Ich sah den Diogenes prächtig im weiten Purpurmantel, mit einem Zepter in seiner Rechten, wie einen Prälaten einherstolzieren; Alexander der Große mußte Blut schwitzen, wenn er ihm seine Hosen nicht aufs beste geflickt hatt'. Epiktet sah ich in einer schönen Laube galant à la Française geputzt, mit einem Haufen schmucker Dirnlein sich tummeln, zechen, tanzen und schmausen; sein Wahlspruch stand oben über dem Rebengitter in diesen Reimen:
›Springen, Tanzen, Saus und Braus
Beim roten und beim weißen Wein,
Und gespielt Jahr ein, Jahr aus
Mit blanken Sonnentälerlein.‹
Wie er mich sah, lud er mich höflich ein, mit ihm zu trinken, was ich gern annahm. Mittlerweil kam Cyrus und bat ihn um einen Heller, weil er sich zum Abendbrot ein paar Zwiebeln kaufen wollt. ›Nix, nix da‹, sprach Epiktet, ›ich spiel's nicht mit Hellern; da ist ein Taler, Schelm, sei ehrlich!‹ Cyrus war heilfroh, daß er diesmal einen so guten Fang getan hatt', aber das andre Diebsgelichter von Königen da drunten, Darius, Alexander etcetera, mausten's ihm wieder über Nacht.«
»Schön, schön«, unterbrach ihn Pantagruel, »spar deine schönen Geschichten auf ein andermal und erzähl uns nur noch, wie man die Wucherer dort unten hält!« – »Ich sah sie«, antwortete Epistemon, »eifrig bemüht, aus den Straßengossen die rostigen Nadeln und alten Nägel herauszulesen. Aber der Zentner von diesem Krimskrams gilt nicht mehr als eine Brotrinde, und dazu haben diese armen Tröpfe zuweilen über drei Wochen lang weder zu brocken noch zu beißen. Sie arbeiten aber doch Tag und Nacht in der Hoffnung auf den nächsten Markt und sind so verwünscht erpicht drauf, daß sie der Plag und Arbeit gar nicht
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