Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
deutlicher Altersunterschied.“
In diesem Moment kam Sebastian locker und entspannt lächelnd ins Zimmer, was den Schluss zuließ, dass er keine Ahnung hatte, geradewegs in die Höhle des Löwen spaziert zu sein. Natürlich deutete er das plötzliche Interesse an seiner Person falsch. „Das Essen ist jetzt im Ofen. Ich hoffe, ihr mögt Gemüsesoufflé.“
„Er sieht nicht alt genug aus, um einen knapp zwanzig Jahre alten Sohn zu haben“, ließ Mom meinen Vater wissen, als stünde Sebastian eben nicht einen Meter von ihr entfernt im Zimmer. „Vielleicht hat er was machen lassen. Du weißt schon, Schönheitsoperationen. Wie ich höre, sind die im Moment sehr beliebt.“
„Vielleicht ist er in jungen Jahren Vater geworden“, hielt Dad dagegen. „Wie alt muss ein Mann dafür denn schon sein?“
„Na ja.“ Meine Mutter nahm Sebastian unter die Lupe, als begutachtete sie ein Hühnchen, das auf einer Landwirtschaftsmesse an einem Wettbewerb teilnahm. „Sechzehn müsste er mindestens sein, würde ich sagen. Er könnte jetzt sechsunddreißig sein. Sieht er für dich wie sechsunddreißig aus?“
Sebastian warf mir einen fragenden Blick zu.
Ich antwortete tonlos: „Mátyás.“
Sofort verfinsterte sich seine Miene.
Mein Vater zuckte mit den Schultern. „Für mich sieht er wie siebzehn oder achtzehn aus. Sein Sohn kommt mir älter vor als er.“
Damit lag er gar nicht mal so falsch. Sebastian alterte überhaupt nicht, Mátyás dagegen ja, wenn auch nur ganz, ganz langsam.
„Wäre es Ihnen recht, wenn ich sechsunddreißig bin?“, fragte er mit seidig sanfter Stimme. Ich roch Zimt und gebackenes Brot, und ich wusste, Sebastian setzte gerade seine Magie ein, um meine Eltern zu manipulieren. Obwohl Lilith ein Teil von mir war, verspürte ich den dringenden Wunsch, ihm jedes Wort zu glauben, das er momentan von sich gab. Der beunruhigte Gesichtsausdruck meiner Mutter entspannte sich, bis sie freundlich lächelte, und mein Dad setzte sich wieder hin. Unter der Couch hörte ich Barney feucht niesen. „Dann bin ich sechsunddreißig.“
„Hatten Sie nicht gesagt, dass das Essen bald fertig ist?“, fragte Dad, als hätte er die Begegnung mit Mátyás längst vergessen.
Sebastian nickte. „In etwa fünfzehn Minuten.“
Ich war mir nicht sicher, was ich davon halten sollte, dass Sebastian seine Magie einsetzte, um meine Eltern zu täuschen, zumal ich mir so viel Mühe gegeben hatte, ihnen die Wahrheit zu erzählen. Trotzdem musste ich zugeben, dass eine größere Katastrophe für den Augenblick abgewendet worden war. Ich konnte nur hoffen, dass sie sich nicht an diesen Moment erinnerten, wenn ihr magiefreies Weltbild letztlich doch um sie herum in tausend Stücke zerschmettert wurde. „Ich helfe dir, den Tisch zu decken“, erklärte ich.
„Ich habe schon ...“, begann er, geriet aber ins Stocken, als er meine hochgezogene „Ich muss mit dir allein reden“- Augenbraue bemerkte. „Gute Idee.“
„Unterhaltet ihr euch doch miteinander“, meinte ich im Spaß zu meinen Eltern, die immer noch ein bisschen benommen wirkten. Etwas groggy betrachtete Mom wieder das Buch, das sie in ihren Händen hielt. Mein Dad griff nach dem nächsten Sandwich. Und Barney legte unter der Couch ihren Schwanz um sich und schnupperte.
„Wir hätten ihnen die Wahrheit sagen können“, bemerkte ich, während ich auf einem Karottenstift von dem Tablett herumkaute, auf dem Sebastian die Appetizer angeordnet hatte. Ich lehnte mich gegen den Tresen und versuchte, ihm nicht in die Quere zu kommen, solange er kochte und hantierte.
In Sebastians Haus gab es kein offizielles Esszimmer. Wir aßen üblicherweise am Küchentisch, der zugleich Platz für Sebastians diverse Tinkturen, essenzielle Öle und so weiter bot, die dort gebraut und aufgebrüht wurden oder einweichten. Das alles hatte er jetzt weggeräumt und eine rot-weiß karierte Tischdecke aufgelegt. An jedem Platz stand ein schlichter weißer Porzellanteller, daneben lagen das gute Tafelsilber und Leinenservietten. Das würde meinen Eltern bestimmt gefallen.
Das Soufflé duftete fantastisch. Ich nahm einen Hauch von Zwiebeln und Knoblauch wahr, und von etwas Grünem wie beispielsweise Spargel. Vor lauter Freude begann mein Magen zu knurren.
„Ich glaube, wir müssen uns um genug Dinge Sorgen machen, oder findest du nicht?“, sagte Sebastian, als er seinen Stapel Rezepte auf dem Kühlschrank ordnete. „Was ist überhaupt in dich gefahren, ihnen das von mir zu erzählen?
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