Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
Erklärungsnot zu geraten. Als er zur Welt gekommen war, hatte es den Katholizismus nur in einer Variante gegeben, erst kurz nach seinem „Tod“ hatte sich die Kirche gespalten, und die östliche Orthodoxie mit ihren diversen regionalen Untergruppen war entstanden. Die Politik und die Religion hatten sich im Lauf der Zeit immer verändert, aber Sebastian war stets dem Glauben treu geblieben, in dem er aufgezogen worden war, auch wenn heute längst keine Kirche mehr existierte, die exakt für das stand, woran er glaubte. „Nicht so richtig.“
Nachdem an diesem Abend schiefgegangen war, was schiefgehen konnte, konnte ja in diesem Moment nichts anderes geschehen, als dass Dad seine Antwort falsch auslegte.
„Gehören Sie einer dieser ultrakonservativen Gruppen an?“
Warum stocherte er so in dem Thema rum? „Meinst du, dann würde er mich heiraten wollen?“
„Wirst du in Weiß heiraten?“, warf Mom ein, die eindeutig an nichts anderes als an das Kleid denken konnte.
„Nein, Mom.“ Ging es ihr darum? Träumte sie von einer weißen Hochzeit? „Das ... das ist nicht mehr so angesagt.“
Meine Mutter schnappte entsetzt nach Luft. „Sag bitte nicht, dass du in Schwarz heiraten willst.“
„Silbern“, beteuerte ich und überlegte, ob ich ihrer Meinung nach noch Jungfrau sein musste. Ging es ihr bei dem Kleid eigentlich darum?
Mom hatte mit mir nie das Gespräch über die Blumen und die Bienen geführt. Als ich mich der Pubertät genähert hatte, hatte ich auf meinem Nachttisch ein Buch mit allen möglichen medizinischen Begriffen für die diversen Körperteile gefunden. Zum Glück hatte ich dank Moms Besessenheit, was Bücher anging, aber auch Zugriff auf ähnliche Werke mit viel cooleren Bildern und viel moderneren Texten. Sofern man irgendetwas von dem, was in den Siebzigern und Achtzigern geschrieben worden war, als „modern“ bezeichnen wollte.
Dachte sie also ernsthaft, ich sollte ein weißes Kleid tragen? „Ähm ...“, setzte ich an, wusste aber eigentlich gar nicht, was ich sagen sollte.
Barney nutzte diesen Moment, um die runtergeschlungenen Souffléreste auf Dads Schuhen zu erbrechen. Noch nie zuvor war ich meiner Katze so dankbar gewesen, dass sie einen so empfindlichen Magen hatte.
Nachdem ich die Bescherung aufgewischt hatte, versuchten Sebastian und ich, die Unterhaltung auf nicht so gefährliche, inhaltlich neutrale Themen zu lenken. Der Geruch nach Zimt und gebackenem Brot brachte mich fast zum Husten.
Dann endlich war das Abendessen vorüber. Mein Dad schob den Teller von sich weg und legte die Hände gefaltet auf seinen Bauch. Er wirkte satt und zufrieden - und bereit für ein langes Verdauungsnickerchen. Meine Mom schien ebenfalls gesättigt zu sein. Irgendwann im Verlauf des Essens hatte sie ihre Schuhe ausgezogen und die Beine unter dem Tisch ausgestreckt, während sich Barney an meine Knöchel schmiegte und darauf hoffte, dass noch der ein oder andere Brocken für sie abfiel.
Das Fenster klapperte heftig, woraufhin ich zusammenzuckte und nervös zu Sebastian sah.
„Hört sich an, als zöge ein Unwetter auf', meinte er. „Sie sollten sich vermutlich besser auf den Weg machen, bevor es draußen so richtig ungemütlich wird.“
Es hing noch genug Restwirkung seiner Magie in der Luft, um meine Mom prompt reagieren zu lassen. „Tut mir leid, dass wir nicht noch länger bleiben können“, erklärte sie. „Aber ich glaube, das Unwetter wird wirklich schlimmer.“
Dad musste ein klein wenig resistenter gegen Sebastians Magie sein, da er mit einem leisen Seufzer fragte: „Und was ist mit einem Dessert?“
„Es war ein langer Abend, wir sollten diesen jungen Leuten etwas Ruhe gönnen“, sagte meine Mutter zu ihm und zwinkerte mir zu. „Wir können immer noch den Zimmerservice kommen lassen.“
„Ehrlich?“, rief Dad erstaunt aus. Dass meine Mutter den Zimmerservice in Anspruch nehmen wollte, hatte etwas Extravagantes an sich. „Na, wenn das so ist...“ Demonstrativ sah er auf seine Taschenuhr. „Also, wenn es tatsächlich schon so spät ist, dann hast du vermutlich recht. Komm, wir müssen uns auf den Weg machen.“
Wir dirigierten sie ins Wohnzimmer, wo sie ihre Mäntel und Stiefel wieder anziehen konnten. Sebastian flüsterte mir ins Ohr, er werde Benjamin losschicken, damit er sie beschützte, bis sie unbehelligt das Anwesen verlassen hatten. Zu diesem Zweck kehrte er unter einem Vorwand kurz in die Küche zurück.
„Er ist ein guter Junge, nicht wahr?“,
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