Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
würde schon sagen, dass er ein bisschen nach einem Troll aussieht, vor allem an den Schultern. Und er hat eine ziemlich ausgeprägte Stirn. Mich erinnert er allerdings mehr an einen Cromagnonmenschen.«
»Tatsächlich? Und das Moos auf seinem Kopf hat für dich nichts Trollhaftes an sich?«
Sebastian musterte mich einen Moment lang, dann widmete er sich abermals dem Fahrer. »Moos kann ich nicht sehen, ich finde nur, dass sein Haar stellenweise etwas schütter und ein bisschen drahtig wirkt.« Er hielt kurz inne, schließlich verstand er, um was es ging. »Das ist wie bei Fonn, richtig? Du siehst irgendwas Magisches. Du weißt ja, dass Trolle und Frostgigantinnen zum gleichen Pantheon gehören. Er könnte mit ihr gemeinsame Sache machen. Sollen wir besser aussteigen?«
Ich war mir nicht sicher. Auch wenn der Troll immer wieder im Spiegel zu uns herübersah, kam er mir nicht besonders bedrohlich vor. Trotzdem wollte ich nicht bei einem Busunfall ums Leben kommen. Gerade schickte ich mich an, das zu Sebastian zu sagen, da fiel mir etwas auf: »Hey, ist das nicht James Dingsda?«
Sebastian sah nach vorn. Der Mann im braunen Mantel und mit der waldgrünen Pudelmütze auf dem Kopf, der soeben eingestiegen war und für seine Fahrkarte bezahlte, ähnelte sehr Sebastians persönlichem Stalker. Zwar war sein Gesicht von der Art, dass es einen an niemand Bestimmtes erinnerte, und doch hatte man das Gefühl, es schon einmal irgendwo gesehen zu haben. Er sah gut genug aus, um nicht als besonders hässlich aufzufallen, und ich konnte mir durchaus vorstellen, dass er sein Geld als Statist in Kinofilmen verdiente, in denen er im Nachspann als Mann Nr. 2 auf der Straße aufgeführt wurde. Er schaute nicht einmal in unsere
Richtung und nahm vorne im Bus auf der Sitzbank Platz, die zum Gang hin ausgerichtet war.
Sebastian sah ihn genau an. »Bist du dir ganz sicher?«
»Nein. Wie denn auch? Der Mann ist das Vergessen in Person.«
Er nickte bedächtig, als hätte ich etwas ganz Entscheidendes gesagt. »Dann ist er es tatsächlich.«
»Haben die Illuminati so was wie eine Tarnvorrichtung erfunden?«
Der Blick, den Sebastian mir daraufhin zuwarf, drückte gleichzeitig Belustigung und Ratlosigkeit aus. »Was redest du da? Du hörst dich manchmal viel zu sehr nach William an,
weißt du das?«
Mein Kollege William neigte dazu, völlig zusammenhanglos Monty Python zu zitieren oder Anspielungen auf New-Age-Dinge wie Area 51 zu machen, ganz ohne eine Einleitung oder eine Erklärung. Dafür liebten wir ihn, und deshalb fasste ich Sebastians Bemerkung nicht als Kritik auf. »Ich habe mich nur gefragt, wieso du so plötzlich davon überzeugt bist. Ich meine, was macht dich so sicher, dass dieser Typ da James Dingsda ist?«
»Weil sie alle so sind. Ich schwöre dir, das ist eine Einstellungsvoraussetzung, wenn man Bewacher werden will. >Bewerber dürfen nicht wie jemand Bestimmtes aussehen. Sie müssen unbedingt in der Lage sein, von niemandem bemerkt zu werden.<«
Ich musste lachen. »Das wäre eine fantastische Stellenanzeige«, meinte ich und führte den Text fort. »>Erfahrung bei der Verfolgung von Vampir-Milliardären erwünscht.<«
»>Gültiger Reisepass von Vorteil<«, fügte Sebastian an. »>Bewerber sollten mit den aktuellen Verschwörungstheorien vertraut sein.<«
»Ja, genau«, sagte ich und wurde wieder ernst. »Aber haben sie nicht zumindest teilweise recht? Es ist doch so, dass die Reichen großen Einfluss haben, zum Beispiel auf die Außenpolitik, nicht wahr?«
»Manche sicherlich, aber weißt du was? Ich bin niemals auch nur zu einem einzigen Geheimtreffen für irgendeine Intrige eingeladen worden.« Sebastian spielte den Geknickten.
»Ich habe nie an diesem Plan zur Weltherrschaft teilhaben dürfen.«
»Was? Du hast niemals an einer geheimen Sitzung in Yale mit ein paar ehemaligen Präsidenten teilgenommen?«, neckte ich ihn. »O Mann, und ich dachte immer, du hast gute Verbindungen.«
»Tut mir leid, Darling, da hast du wohl den falschen Mann erwischt.«
Mit einem Finger strich ich von seiner Schulter bis zu seinem Bizeps. »Ganz bestimmt nicht.«
»Ich wünschte, wir wären irgendwo, wo wir mehr Ruhe hätten«, gab er lächelnd zurück.
»Wolltest du nie in der Öffentlichkeit Sex haben?«
Es war unglaublich, aber Sebastian - mein tausend Jahre alter Liebhaber, der vermutlich alles gesehen hatte, was es auf der Welt zu sehen gab - bekam einen roten Kopf.
Was ich wiederum nur noch erregender
Weitere Kostenlose Bücher