Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
hingen von den Wänden herab, Bettwäsche und Vorhänge waren in Fetzen gerissen worden.
Vor mir fanden sich die Überreste der Tischdekoration, die so zerstreut lagen, als hätten sie den Mittelpunkt einer gewaltigen Explosion gebildet.
Und da, genau vor mir, entdeckte ich die Scherben der Engelsfigur. Wie eine Sadistin hatte Lilith den beiden Engeln die Flügel abgeschlagen.
Offenbar hatte ihr das Hochzeitsgeschenk auch nicht sehr gefallen.
Ich hatte mir mindestens zwei Fingernägel abgebrochen, meine Knöchel waren wund, und ich schnaufte noch wie ein Rennpferd gleich nach dem Zieleinlauf.
Das war der Teil, den ich zutiefst hasste.
Sobald Lilith die Kontrolle übernahm, bedeutete das, dass ich anschließend einen regelrechten Hausputz durchführen musste. Als ich eine Scherbe einer vormals sehr hübschen
Tonschale aufhob, entfuhr mir ein Seufzer. Vermutlich musste ich noch dankbar sein, dass es diesmal keine Leichen zu beseitigen gab.
Bei dem Gedanken daran wurde mir übel, und plötzlich hatte ich das Gefühl zu fallen. Ich ließ den Kopf nach vorn sinken, stützte mich auf dem Fußboden ab und wartete ab, dass die Übelkeit nachließ. Ich atmete durch die Nase ein und aus, und irgendwie schaffte ich es zu verhindern, dass das Hotel uns zu allem Überfluss auch noch die Beseitigung von Erbrochenem in Rechnung stellte.
Jesus, der Ordway Room! Angesichts dessen, dass uns jede Übernachtung in dieser Suite einige Tausend Dollar kostete, wollte ich lieber gar nicht darüber nachdenken, wie teuer eine
Renovierung werden würde.
Sebastian würde einen Wutanfall bekommen. Auch wenn er Geld wie Heu besaß, gab er davon nur ungern etwas aus, vor allem wenn das nötig wurde, weil Lilith mal wieder für Probleme gesorgt hatte. Doch er würde noch wütender werden, wenn ich nicht mein Versprechen hielt, meinen Hintern zum Konsulat zu bewegen. Den Radiowecker fand ich unter
dem Bett wieder. Er hatte zwar einen kleinen Sprung abbekommen, war wundersamerweise aber noch an den Strom angeschlossen und funktionierte. Liliths Tobsuchtsanfall hatte nur fünf Minuten gedauert. Gut, dann blieb mir noch genug Zeit, um eine Tasse Kaffee zu trinken, damit ich einen klaren Kopf bekam, ehe ich mich auf den Weg machte. Ich stand auf, bürstete den Staub vom Verputz aus meinen Haaren und hängte beim Verlassen des Zimmers das Bitte nicht stören- Schild an den Türknauf.
Sebastians Schlüssel und iPhone hatte ich aus den Trümmern des Nachttischs gefischt, und ich konnte von Glück reden, dass Lilith nicht auch noch sein Telefon zerschmettert hatte. Wenn ich das Konsulat finden wollte, dann brauchte ich unbedingt einen Zugriff auf Google Maps.
Mit meinen dicken Winterstiefeln schlurfte ich über den weichen Teppich im Foyer des Hotels. Als ich an der Putzfrau vorbeiging, wandte ich schuldbewusst den Blick zur Seite. Lilith musste immer alles kaputt machen. Fast hätte SIE sich beim Sex zwischen mich und Sebastian gedrängt, und jetzt lag das Zimmer in Trümmern da. Würden Lilith und IHRE Katastrophen immer zu unserer Ehe gehören? Sebastian fand, dass ich so etwas wie ein Mahlstrom war, der alles Üble anzog. Was, wenn nicht ich dieser Mahlstrom war, sondern Lilith? Mein Leben war auch vor Lilith schon verrückt gewesen, aber da hatten Götter, Elfen oder Zombies nur selten eine Rolle gespielt. Wie viel angenehmer würde meine Ehe wohl ohne all diese Komplikationen sein?
Ohne allzu sehr von meiner Umgebung Notiz zu nehmen, begab ich mich in die Tiefgarage. Als ich den Aufzug verließ, musste ich erst ein paar Sekunden lang überlegen, wo wir den Wagen geparkt hatten. Ich hätte am Empfang Bescheid sagen können, dass man den Wagen vorfahren solle, aber dabei fühlte ich mich irgendwie nie wohl. Außerdem wollte ich keine Zuschauer, wenn ich versuchte, mich daran zu erinnern, wie man noch gleich Auto fuhr. Der Göttin sei Dank, dass der Leihwagen ein Automatikgetriebe hatte, sonst wäre ich total aufgeschmissen gewesen.
Sebastian hatte eigentlich eine Vorliebe für klassische Fahrzeuge aus den Zwanziger- und Dreißigerjahren, aber die verfügten üblicherweise nicht über eine Heizung. Also liehen wir uns im Winter irgendeine Rostlaube aus, die in Jensens Werkstatt herumstand, jenem Betrieb, in dem Sebastian immer dann arbeitete, wenn er an der University of Wisconsin keine Vorlesungen hielt.
Dann endlich entdeckte ich den ramponierten Toyota, mit dem wir von Madison hergekommen waren. An der Fahrertür blieb ich stehen, um
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