Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
Körper war nicht groß genug für diese beiden. Vor allem aber hatte ich endgültig genug davon, ständig von dieser Übelkeit heimgesucht zu werden. Eine von beiden Göttinnen musste gehen, und ich musste mich entscheiden. Lilith oder Athena?
Ich hatte ja Zeit, mir das in Ruhe zu überlegen. Also begab ich mich wieder in den Warteraum, setzte mich auf einen der orangefarbenen Plastikstühle und ließ den Kopf in die Hände sinken.
Am besten wäre es wohl gewesen, eine Liste mit den Vor- und Nachteilen zu erstellen, doch ich hatte weder einen Stift noch ein Blatt Papier zur Hand. In Augenblicken wie diesem wünschte ich mir wirklich, ich hätte eine Handtasche bei mir. Oder - noch schlimmer - ein BlackBerry.
Die Atmosphäre wie aus einer Polizeiserie war alles andere als förderlich, um sich tiefschürfende Gedanken zu machen. Eine Frau, die mir bislang nicht aufgefallen war, saß auf der gegenüberliegenden Seite des Warteraums und fluchte in ihr Handy. Als sie mich sah, kam ihr prompt ein Klassiker über die Lippen. »Was guckst du so, Miststück?«
Lilith grummelte, wie üblich bei diesem Wort. Ich weiß nicht, ob meine Augen dabei lavarot aufleuchteten, aber die andere Frau bemerkte offenbar Liliths Präsenz, da sie den Blickkontakt als Erste abbrach.
Ich musste lächeln. Auf jeden Fall schon mal ein Punkt, der für Lilith sprach.
Zugegeben, das war nicht gerade nett von mir, doch mir gefiel, wie es Lilith stets schaffte, dass andere Leute klein beigaben.
Aber kaum hatte sich Lilith in den Vordergrund geschoben, meldete sich Athena zu Wort und ging zum Gegenangriff über. Prompt schlug das Universum Wellen, als wäre ich mitten auf dem Ozean. Meine Knöchel traten weiß hervor, da ich die Armlehnen meines Stuhls umklammert hielt, um nicht vornüberzufallen und auf dem Gesicht zu landen.
Die Frau mit dem Handy schaute mich an, als hätte sie eine Verrückte vor sich, und drehte mir dann den Rücken zu. Ihrem Gesprächspartner klagte sie lautstark ihr Leid, mit welchen Leuten sie sich abgeben musste.
Als mein Magen wieder zur Ruhe gekommen war, überlegte ich, ob Athena wohl die gleiche Wirkung erzielen konnte. Irgendwie zweifelte ich daran, da sie so aufrecht erschien, aber nicht wie jemand, der anderen die magische Zunge rausstreckte. Nur konnte ich das nicht mit Sicherheit sagen, da Athena nie wirklich in mir gelebt hatte.
Das war meiner Meinung nach etwas, das gegen sie sprach.
Lilith und ich waren jetzt schon lange zusammen. Meine Meditation im Krankenhaus legte den Eindruck nahe, dass SIE sich verändert hatte, weil wir beide so eng miteinander verbunden waren. Darum verwischten IHRE Gesichtszüge auch zusehends, bis wir beide fast als Schwestern durchgingen. SIE kannte mich; vor uns lagen noch Jahre, in denen wir uns über verschiedene Dinge einig werden konnten.
Zum Beispiel über Sebastian.
Ich war in Sachen Klassiker nie eine Einserschülerin gewesen, aber waren die Priesterinnen, mit denen sich Athena umgab, nicht Jungfrauen gewesen? Viele der griechischen Göttinnen schienen ein Zölibat zu verlangen - oder Rumhurerei, doch das war ein anderes Thema. Meine Erinnerung an den allerersten Kontakt mit Athena führte mich wirklich zu der Überzeugung, dass sie für Männer nicht viel übrig hatte.
Lilith dagegen mochte Sex.
Und noch ein Punkt für die böse Verführerin.
Was war eigentlich mit diesem »Böse«? Okay, Lilith war eine böse Macht, an die ich mich gewöhnt hatte, aber war das deswegen auch richtig?
Das Ganze war ein heilloses Durcheinander. Ich wollte ja eigentlich beten, damit ich einen Hinweis erhielt, wie ich mich entscheiden sollte, doch im Moment wusste ich nicht mal, an wen ich meine Gebete hätte richten sollen.
Was sprach denn eigentlich für Athena? Ich musste mir erst mal in Ruhe Gedanken darüber machen, was sie zu bieten hatte.
Ich sah mich in dem schäbigen Wartebereich um und dachte, vielleicht würde es mich mit ihr nicht so oft an derartige Orte verschlagen.
Aber was für eine gigantische Persönlichkeitstransplantation wäre erforderlich, um das zu erreichen? Immerhin hatte mir der Umkehrzauber gezeigt, dass Normalität bei mir etwas ziemlich Chaotisches bedeutete. Das brachte so seine negativen Begleiterscheinungen mit sich, wie dieser Warteraum eindrucksvoll belegte. Aber in dieser verkorksten Realität war ich Sebastian begegnet, und hier war ich auch im Mercury Crossing gelandet, zusammen mit William und Izzy und ... ja, sogar mit Mátyás.
Ich würde
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