Garnet Lacey 05 - Das bisschen Flitterwochen
heute Abend auch her. Natürlich erst nach Sonnenuntergang.«
Als hätte ich vergessen, dass Parrish ein traditioneller Vampir war, der das Tageslicht nicht aushielt! Das erinnerte mich an Dominguez’ Warnung, Parrish solle tot bleiben. »Das darf er nicht!«, sagte ich und drehte mich von Dominguez weg, als könnte er mich durch die Glastür belauschen. Immerhin war er ein bisschen übersinnlich veranlagt, deshalb flüsterte ich nur: »Das FBI sucht nach Parrish.«
»Schon wieder?«, fragte William. »Na ja, wahrscheinlich kann ich es ihm ausreden, sofern mit dir alles in Ordnung ist. Ist mit dir alles in Ordnung?«
»Mir geht’s gut. Ich bin im Moment bei der Polizei.«
»Wie kann es dir gut gehen, wenn du bei der Polizei bist?«
Das war eine wirklich gute Frage, aber das hier gehörte alles zu der »neuen« Normalität. Ich blinzelte in die Sonne. »Ehrlich, es geht mir gut.«
Fast hätte ich mir das sogar selbst abgekauft.
Aber Lilith und ich hatten uns schon aus viel schlimmeren Situationen gerettet, hielt ich mir vor Augen.
»Augenblick mal, wenn ihr beide hier seid, wer passt dann auf den Laden auf?«, wollte ich wissen.
»Slow Bob. Doch mach dir deshalb keine Sorgen, ich habe an alles gedacht«, gab er ungeduldig zurück. »Wo können wir uns mit dir treffen? Sollen wir zur Polizeiwache kommen?«
Ich sah zu Dominguez, der zusammen mit den beiden Polizisten auf mich zu warten schien. »Ich muss jetzt auflegen, aber ich rufe dich an, sobald ich kann«, versicherte ich ihm. »Mit ein bisschen Glück können Sebastian und ich uns irgendwo mit euch zum Mittagessen treffen.«
»Versprochen?«
Es war wie die Frage eines Kleinkinds, und dafür mochte ich William so sehr. »Versprochen«, sagte ich. »Ach, William, würdest du mir noch einen Gefallen tun?«
»Was immer du willst.«
»Kannst du nach einem guten Zauber oder Ritual suchen, mit dem man eine Göttin bannen kann?« Welche es sein sollte, hatte ich allerdings noch nicht entschieden.
Das Schöne an William war, dass er nie erst nach dem Grund fragte, wenn man ihn um eine Gefälligkeit bat. »Ja, natürlich«, sagte er.
Ich verabschiedete mich, klappte das Telefon zu und eilte zurück zu Dominguez.
Um es auf den Punkt zu bringen: Sebastian sah beschissen aus.
Er wirkte wie ein ausgemergelter Junkie, was er genau genommen auf seine eigene sonderbare Weise auch war. Ich erkannte in ihm meinen sonst so charmanten und gut aussehenden Liebhaber kaum wieder.
Die Knie hatte er an die Brust gezogen, er kauerte in einer Ecke im Schatten der Zelle. Ohne frisches Blut begann sein Körper, sich selbst aufzuzehren, um zu überleben. Das T-Shirt, das ihm vor wenigen Stunden noch wie angegossen gepasst hatte, hing jetzt schlaff und viel zu weit von seinen Schultern herab. Sein Gesicht war ausgezehrt, die Wangen eingefallen. Hinter den langen Haaren zuckten die Augen gierig hin und her. Getrocknetes Blut klebte an seinem Kinn,
seine Fangzähne hatten sich so weit nach draußen geschoben, dass er den Mund kaum noch schließen konnte.
Als wir die Zelle betraten, heftete sich sein Blick an uns fest, und er ließ uns nicht mehr aus den Augen, so wie ein Jäger, der seine Beute ausgemacht hatte. Die beiden Polizisten, die
Dominguez und mich hierher begleitet hatten, warteten auf der anderen Seite der Gitterstäbe, dann zogen sie sich hastig zurück, achteten aber darauf, vor ihrem Kollegen das Gesicht zu wahren.
Ich wollte auf Sebastian zugehen, doch Dominguez hielt mich zurück. »Sind Sie sich wirklich sicher, dass Sie dazu bereit sind?«
So hatte ich Sebastian schon einmal erlebt, nachdem ein Hexenjäger des Vatikans ihn mit einem Pfeil an einer Wand in meinem Wohnzimmer festgenagelt hatte. Er war so ausgehungert gewesen, dass er Williams damalige Freundin getötet hätte, wäre Lilith nicht mit IHRER Kraft dazwischengegangen.
Aber diesmal konnte ich nicht auf die Königin der Hölle zählen.
»Einer von uns muss ihm etwas zu trinken geben«, sagte ich. »Wenn ich es mache, stehen die Chancen besser, dass Sie uns trennen können, bevor mir etwas zustößt.« Das war natürlich eine Lüge, denn in dem Punkt, dass ein Vampir die Kraft von zehn Männern besaß, hatte Hollywood den Vampirismus ausnahmsweise einmal richtig dargestellt.
Dominguez merkte mir an, dass ich nicht die Wahrheit gesagt hatte, das wusste ich. Aber die Alternative war die, dass er sich zur Verfügung stellte, deshalb war es für ihn die einfachere Lösung, so zu tun, als glaubte er
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