Garou
vertrackter Gerüche und immer wieder die Ziegen.
Den Menschen hingegen ließ der Schrank keine Ruhe. Warum war er hier, und warum gab es ein Sofa und eine Kommode auf der Ziegenweide? Die Schafe wussten immerhin, wozu das Sofa gut gewesen war: es hatte eine interessante Füllung aus Stroh enthalten, die von den Ziegen bis auf die offensichtlich ungenießbare Rückenlehne restlos verspeist worden war.
Der Schrank und die Kommode hingegen? Die Kommode war so etwas wie das Lamm des Schrankes, so viel war klar. Sie hatte die gleichen krummen Beine und die gleiche Farbe und in etwa die gleiche Form. Trotzdem schien den beiden die Trennung nichts auszumachen: die Kommode stand klaglos auf der Ziegenweide und der Schrank unter der Eiche, und egal, wie scharf die Schafe ihn auch beobachteten, er bewegte sich keinen Schritt näher zum Ziegenzaun. Die Schafe wurden aus der Sache nicht schlau, schlackerten mit den Ohren und grasten unbekümmert um Schrank und Geheimnis herum.
Rebecca hingegen interessierte sich unermüdlich dafür, woher der Schrank kam, und Mama dafür, was möglicherweise im Schrank war. Die Schafe interessierte, wenn überhaupt, nur das, was unter dem Schrank war - unentdecktes, niegeweidetes Gras vielleicht?
Auf keine dieser Fragen hatte es bisher eine Antwort gegeben, und vor kurzem hatte Mama versucht, ihn mit einer langen, glitzernden Haarnadel aufzukitzeln. Vergebens.
»Ich seh ihn mir noch mal an!«, erklärte Lane und trabte entschlossen hinüber zum Schrank. Die anderen kamen mit.
Lane umrundete den Schrank einmal und noch einmal, um sicherzugehen. Der Schrank stand da und ließ es geschehen, groß, feucht und überflüssig, mit gekrümmten Füßen und einem Häubchen aus Schnee. Er war groß, aber nicht 50 groß. Ein paar Schafe hätten sicher hineingepasst oder der ein oder andere Zweibeiner vielleicht, aber bestimmt nicht die Eiche, und schon gar nicht ein zweiter oder dritter Baum. Wie viele Bäume brauchte es für einen Wald? Mindestens fünf, vermuteten die Schafe. Damit war es entschieden: das Buch war verrückt!
Maple sah auf einmal aus, als hätte sie etwas verstanden. Die anderen blickten sie neidisch an.
»Aus dem Schrank!«, blökte Maple. »Er hat gesagt: er kommt aus dem Schrank!«
»Wer?«, fragte Mopple. »Was?«
»Der Fremde«, sagte Miss Maple. »Ich weiß nicht, was. Nichts Gutes jedenfalls.«
Wenn man ihn genauer betrachtete, war der Schrank schon ein bisschen unheimlich und sehr fremd, ein Ding aus einer anderen Welt.
»Meinst du: der Garou?«, fragte Cloud leise. »Ich weiß nicht.« Maple legte ein Ohr an das Holz und lauschte.
»Und?«, fragte Mopple nervös.
»Nichts«, sagte Maple. »Aber er klingt hohl.«
»Da rein?«, flüsterte Heide. »Bist du dir sicher?«
Maude nickte. »Da drin«, sagte sie. »Oder nirgends.«
Heide und Zora äugten unbehaglich durch das halbgeöffnete Scheunentor. Bisher war ihre Expedition eigentlich ganz glimpflich verlaufen. Sie waren einfach durch das Hoftor spaziert, in hellem, fahlem Tageslicht, und hatten ihre bleichen Schatten durch ein Gewirr enger Gassen geführt. Eine Katze hatte Heide erschreckt, aber Heide hatte die Katze noch mehr erschreckt. Maude hatte drei kleine Autos aufgespürt, ein Motorrad, einen Rasenmäher und einen riesigen Reifen. Nur von dem besonders großen Auto, das sie alle gebracht hatte, fehlte weiter jede Spur.
»Autos leben nicht in Häusern«, sagte Heide.
»Das schon!«, blökte Maude und hielt ihre großartige Nase beleidigt in die Höhe.
»Hört ihr das?«, fragte Zora auf einmal.
Die Schafe lauschten.
»Nichts«, sagte Heide nach einer Weile.
»Genau«, sagte Zora. »Nichts. Kein Hund bellt. Nirgends. Wir sind hier überall herumspaziert, kreuz und quer, und nirgends bellt ein Hund.«
»Das ist doch gut!«, sagte Maude.
»Das ist gut«, bestätigte Zora. »Aber wenn es hier keine Hunde gibt...«
»... woher kommt dann das Heulen?«, fragte Heide.
Die drei Mitglieder der Schafsexpedition sahen sich an. Auf einmal kam es ihnen allen sehr wichtig vor, das Auto bald zu finden. Heulen mit Hunden war schlimm genug, aber Heulen ohne Hunde war gar kein gutes Zeichen.
Zora holte tief Luft und verschwand, ihre schönen Hörner voran, im Scheunendunkel.
Etwas raschelte.
»Kommt!«, blökte Zora von drinnen. »Es ist gar nicht so schlimm!«
Heide nieste verlegen.
Maude schüttelte den Kopf.
»Aber du hast selbst gesagt...«, blökte Heide.
»Ich habe gesagt, dass da ein Auto drin
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