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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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ist«, sagte Maude. »Nicht dass wir reingehen sollen. Ich will da nicht rein!«
    Heide dachte an Wollensstärke, kniff die Augen zu, tat einen ziemlich lämmerhaften Sprung nach vorne und machte die Augen wieder auf.
    Maude stand wieder neben ihr.
    »Aber du hast doch gerade gesagt, du willst da nicht rein!«, blökte Heide.
    »Jetzt will ich!«, sagte Maude und machte ein verlegenes Gesicht. Zum ersten Mal verstand Heide ein bisschen, was Wollensstärke wirklich war: es ging nicht nur um das eigene Wollen, sondern auch um das Wollen der anderen. Alles berührte sich, wie Schafsrücken im Heuschuppen. Wollen an Wollen. Jeder konnte das sehen, und dennoch war es ein großes Geheimnis.
    Heide blickte sich um.
    Durch unzählige Ritzen in der Scheunenwand fiel kaltes Winterlicht nach drinnen. Es war nicht einmal besonders dunkel hier - aber gestreift. Der staubige Boden war gestreift und die riesigen Feldmaschinen vor ihnen und die Sägen und Mäher und Haken und Ketten, die von der Scheunendecke herabhingen. Maude neben ihr sah aus wie eine überdimensionale, schlecht gelaunte Tigerkatze. Und Zora? Wo war Zora? Ein Luftzug fuhr durch die Scheune, und die Ketten über Heide klickten leise.
    »Zora?«, blökte Heide. Ihre Stimme klang dünn. »Zora?«
    Maude witterte. »Da hinten!«, sagte sie und trabte los. Streifen wanderten über ihre Wolle.
    Sie fanden Zora in einer Ecke des Heuschuppens, direkt vor dem extragroßen Auto. Sie sah zufrieden aus.
    »Jetzt müssen wir es nur noch überreden!«, sagte sie.
    »Natürlich!«, blökte Maude erleichtert.
    »Übernatürlich!«, blökte Heide.
    Die anderen beiden sahen sie verblüfft an.
     
    Der Mann stand auf einmal vor dem Schäferwagen, und keines der Schafe hatte ihn kommen hören. Vielleicht waren sie alle ein bisschen zu sehr mit Grasen beschäftigt gewesen, um den Garou, das Reh und sicherheitshalber auch den Schrank zu vergessen.
    Der Mann klopfte, und Rebecca öffnete die Tür.
    »Bonjour«, sagte sie und trocknete sich ihre Hände an einer Schürze ab.
    Tess erinnerte sich an ihre Wach- und Hütepflichten und kläffte halbherzig.
    »Guten Tag, Mademoiselle«, sagte der Mann. Er war außergewöhnlich groß und breit, trug einen braunen Mantel, braune Stiefel und elegant gekräuseltes Haar auf der Oberlippe. Ehe sich die Schafe versahen, stand er schon auf der obersten Schäferwagenstufe und drückte Rebecca ein Kärtchen in die Hand.
    »Darf ich mich vorstellen«, sagte er. »Malonchot. Police.«
    Rebeccas Gewittergesicht hellte sich auf. »Sie sind doch gekommen!«, sagte sie. »Flock. Rebecca Flock.«
    Der Mann nickte.
    »Das ist der Schäferwagen«, sagte Rebecca. »Und das da ist meine Mutter. Hier ist es passiert. Ich schließe nicht ab, also wurde auch nichts aufgebrochen. Ich bin früh weggegangen, vielleicht so gegen acht, in den Wald, um ein Schaf zu suchen. Und meine Mutter... war im Gästehaus des Schlosses duschen.«
    »Wann war das?«, fragte Malonchot und zückte einen Notizblock.
    »Von neun bis zwölf«, dröhnte es aus dem Schäferwagen. »Drei Stunden?«, fragte Malonchot.
    Die Schafe mochten, dass er nur kurze Dinge sagte. Er war wie ein See. Ein stiller, stiller See.
    »Drei Stunden«, sagte Rebecca in einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete. »Und als ich zurückgekommen bin, das war auch so gegen zwölf, glaube ich, habe ich es gleich gemerkt. Jemand war im Schäferwagen gewesen und hat meine Kleidung zerstört. Mit einer Schere oder so.«
    »Nur Kleidungsstücke?«, fragte Malonchot.
    »Nur rote Kleidungsstücke«, sagte Rebecca.
    Malonchot blickte auf.
    »Alle?«, fragte er.
    »Alle bis auf einen Schal. Den haben sie nicht gefunden. Der war in der Wäsche. Rot ist meine Lieblingsfarbe«, sagte Rebecca. »Es ist einfach ... gemein!«
    Die Schafe verstanden nicht ganz, warum sich Rebecca so aufregte. Sie hatte doch auch eine braune Mütze (eine sehr attraktive sogar, die entfernt an einen Brotlaib erinnerte) und blaue und grüne Pullover und Hosen und den beliebten Wollpullover. Wenn sie ehrlich waren, hatte ihnen das ganze Rot nie so richtig gefallen. Es kitzelte die Augen. Es machte nervös.
    »Haben Sie Ihr Schaf denn gefunden, Mademoiselle?« »Ja! In einer Drahtschlinge!« Rebecca runzelte böse die Brauen.
    »Und haben Sie sonst noch etwas gefunden?« »Mehr Schafe!« Rebecca lachte.
    Malonchot strich sich mit einem Finger über sein frostiges Oberlippenhaar.
    »Können Sie sich noch erinnern, wo Sie das Schaf gefunden

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