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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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irrsinnigen Sprung ebenfalls ins Hinterteil des Autos rettete.
    »Das war der Fuchs!«, sagte sie dann und schauderte.
     
    Als der Nachmittag schon angefangen hatte, grau und stumpf zu werden, kam Rebecca vom Schloss zurück und warf einen bösen Blick auf das geheimnisvoll leuchtende Schäferwagenfenster.
    »Die kann mich mal!«, sagte sie.
    Die Schäferin stapfte den Hang hinauf zum Waldrand und zückte das Sprechgerät. Dort, direkt am Weidezaun, wo eine schöne Buche ihre Finger nach der Weide ausstreckte, gab es eine Stelle, wo das Sprechgerät am besten sprechen konnte.
    Die Schafe folgten ihr neugierig, aber Rebecca quakte wieder einmal auf Europäisch.
    »Bon Schur!«, quakte sie und »Veterinär!«.
    Es gefiel den Schafen gar nicht. Eine Schur mitten im Winter? Und das Wort »Veterinär« mochten sie auch nicht besonders, obwohl sie nicht so genau wussten, warum.
    Rebecca quakte und quakte.
    »Futter!«, blökte Mopple probehalber.
    Bald blökten alle Schafe nach Futter.
    Rebecca blickte kurz von ihrem Sprechgerät auf.
    »Der Tierarzt ist krank«, erklärte sie den Schafen. »Das hat mir gerade noch gefehlt!«
    Die Schafe versuchten, nicht allzu erleichtert auszusehen. Mopple machte ein Apfelgartengesicht. Cordelia keilte übermütig ein bisschen aus.
    Rebecca lauschte wieder in ihr Sprechgerät.
    »Ich versuche, einen anderen zu finden«, flüsterte sie den Schafen zu. »Wir müssen hier weg! Schnell. Und wir brauchen den Tierarzt, um einen neuen Platz für euch zu finden.«
    Die gute Stimmung verschwand.
    »Kein neuer Tierarzt!«, blökte Ramses.
    »Kein neuer Tierarzt!«, blökte der Rest der Herde mit Inbrunst. Immer wieder.
    Rebecca hatte inzwischen angefangen, richtig mit dem Sprechgerät zu sprechen, und nannte es Franca. Das Sprechgerät hieß manchmal Franca und manchmal Mark oder Madame oder Monsieur. Manchmal Mr. Spike. Rebecca unterhielt sich für den Geschmack der Schafe viel zu oft mit dem Sprechgerät.
    Es ging schon wieder um die roten Klamotten, um Mama, Karten und Humbug. Die Schafe hörten nicht richtig hin. »Kein Tierarzt!«, blökten sie im Chor.
    Manchmal verstand sie Rebecca, wenn sie nur alle laut genug blökten.
    Cloud hörte als Erste wieder mit dem Blöken auf: irgendwas lag in der Luft. Sie witterte: die Weide roch wie die Weide, Erde unter Gras unter Schnee, Weite und Wind.
    Die Ziegen rochen wie die Ziegen - leider.
    »Ach was!«, sagte Rebecca zum Sprechgerät. »Die wollen mich loswerden. Die können mich hier nicht ausstehen. Du hättest sie sehen sollen, als ich damals die Schafe ausgeladen habe. Als hätte ich einen Wagen voll Gespenster mitgebracht. Warum? Das wüsste ich auch gerne!«
    Das Schloss roch wie das Schloss, Stein und Rauch, geheime Fressvorräte, Moder in der Tiefe. Der Wald roch wie der Wald.
    »Aber der Stall stand doch leer! Seit Jahren - ein einwandfreier Schafstall.«
    Der Wald roch wie der Wald? Nicht ganz.
    Der Wald roch wie der Wald mit etwas darin. Wie der Wald und ein Lavendelstrauch. Der Lavendelstrauch wanderte zwischen den Stämmen hindurch, auf sie zu.
    »Natürlich haben die hier früher Schafe gehalten.«
    Cloud war ein zu vernünftiges und wollensstarkes Schaf, um sich vor einem Lavendelstrauch zu fürchten, aber irgendetwas stimmte hier nicht. Es war nicht die richtige Zeit für Lavendel, für wandernden Lavendel schon gar nicht. Jetzt verstummten auch die anderen Schafe. Lavendel und Gewürze, Minze, Haut und Haar. Lederstiefel. Und... Fell.
    Einer von Rebeccas Wollhandschuhen fiel in den Schnee.
    Rebecca war so mit dem Sprechgerät beschäftigt, dass sie es nicht einmal bemerkte.
    »... als wäre das hier eine Art Schafsparadies. Ich hätte wissen sollen, dass etwas nicht stimmt. Ich meine, sie hat mich regelrecht umworben und war so nett und zuvorkommend, die Schlange. Und jetzt spricht sie kaum noch mit mir, und die anderen beschweren sich. Die Schafe stinken. Die Schafe blöken zu laut. Die Schafe müssen weg. Unsinn! Es gibt hier Ziegen - die stinken, aber das stört natürlich niemanden ...«
    Knirschen von Schnee. Ein knackender Ast. Rebecca lehnte am Zaun, den Rücken zum Wald, und lauschte in ihr Sprechgerät.
    »Der Schlossbesitzer? Dem geht das alles hier so was von am... na, du weißt schon, wo es ihm vorbeigeht.«
    Zwischen den Bäumen war eine dunkle Gestalt aufgetaucht. Ein pelziges Wesen bewegte sich langsam auf Rebeccas Rücken zu. Langsam, mit der Spur eines Hinkens. Die Schafe starrten gebannt. Niemand dachte daran,

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