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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Voila!«
    »Zwei Jahre lang nichts?«, murmelte Rebecca. »Seltsam.«
    »Nicht so seltsam«, sagte Hortense. »Zwei Jahre ohne Schnee. Es passiert immer im Schnee.«
    »Aber jetzt hat es geschneit. Und es gibt wieder Schafe. Und ein totes Reh... kein Wunder, dass die Polizei so schnell da war. Mehr Tee?«
    Flüssigkeit gluckste.
    Hortense seufzte. »Sie werden nichts finden, Becca! Sie finden nie etwas.«
    »Warum hat sie mich nur eingeladen?«, flüsterte Rebecca. »Ich wüsste zu gerne, warum sie mich eingeladen hat.«
    »Die Plin?« Hortense lachte leise. »Das ist ein kalter Mensch, die interessiert nur Geld.«
    »Aber ein Vermögen verdient sie mit mir und meinen Schafen nicht gerade.«
    »Sie ist die Verwalterin. Der Patron hat Schulden. Jeder weiß das. Sie lässt sogar Eric Miete zahlen, für ein paar leere Räume im Turm, wo er seinen Käse lagert. Die nimmt, was sie kriegt, und Eric lässt sich das gefallen wie ein Hund.«
    Hortense seufzte tief. Rebecca schlürfte geräuschvoll Tee. Dann Schweigen. Ein langes Schweigen.
    Maple nahm die Stirn von der Schäferwagenwand und lauschte. Ihr war, als hätte sie hier draußen ein Geräusch gehört. Auf der anderen Seite des Schäferwagens. Sie witterte, aber die Luft war kalt und leer. Maple schauderte und drückte ihre Stirn wieder gegen die Wand. Die Stimmen drinnen waren lauter geworden.
    »Aber so simpel ist es nicht!«, sagte Hortense aufgebracht.
    »Die Rehe wurden nicht geschossen, weißt du. Wie kann ein Mensch ein Reh fangen, einfach so?«
    »Nicht einfach so«, sagte Rebecca. »Aber vielleicht mit einer Drahtschlinge?«
    »Keine Drahtschlinge!«, sagte Hortense mit Überzeugung. »Becca, ich weiß auch nicht viel. Ich bin ja nur das Kindermädchen, und wer spricht von solchen Sachen vor Kindern. Aber ich weiß, dass es alles nicht so einfach ist.«
    Maple nahm wieder den Kopf von der Holzwand. Diesmal war sie sich sicher: ein Geräusch - ein Geräusch auf der anderen Seite des Wägens. Wie ein Scharren im Schnee. Miss Maple sah sich nach den anderen Schafen um: nichts. Die Weide war dunkel - und leer. Wahrscheinlich waren sie alle längst im Heuschuppen. Auf einmal wollte Maple nichts lieber, als auch im Heuschuppen sein - am besten neben Cloud - und die toten Schafe im Schnee vergessen. Trotzdem schlich sie sich vorsichtig an die Ecke des Schäferwagens heran. Witterte. Aber der Wind wollte ihr nichts verraten.
    Maple holte tief Luft, dann streckte sie ihren Hals und spähte um die Ecke. Dort stand Othello, den Kopf ebenfalls gegen die Wand gepresst. Einer seiner Vorderhufe scharrte im Schnee. Wieder und wieder. Maple war sich sicher, dass Othello nichts von diesem Vorderhuf wusste.
    Vorne, am anderen Ende des Wagens, klickte leise eine Tür, und Hortenses Schritte entfernten sich.
    »Ein Werwolf!«, rief Mama drinnen im Schäferwagen. »Ich hätte es mir denken können! Vielleicht können wir ihn fotografieren!«
    »Ich dachte, Werwölfe kann man nicht fotografieren«, sagte Rebecca gereizt.
    »Sei nicht albern!«, dröhnte Mama. »Das sind Vampire.« Die Schäferwagentür schlug wieder zu.
    Othello trat von der Wand zurück und drehte Maple den Kopf zu. Die beiden sahen sich an und wussten, dass sie ihrer Herde nichts von den toten Schafen im Schnee erzählen würden. Besser nicht. Noch nicht. Dann trotteten sie schweigend zurück zum Heuschuppen, wo Wärme und die anderen Schafe auf sie warteten.
     
    Alle Schafe bis auf eins. Ritchfield stand noch draußen in der Dunkelheit und spähte Richtung Schloss. Er hatte die besten Augen der Herde. Schon immer gehabt. Und seit die Welt um ihn herum leiser geworden war, sah er die Dinge noch lieber an. Kleine, bunte bewegte Bilder voller Leben - und manchmal, aus den Augenwinkeln, Melmoth. Er war zu ihm unterwegs, da war sich Ritchfield sicher. Im Augenblick interessierten ihn die Fenster des Schlosses. Tagsüber waren sie stumpf und dunkel, aber nachts glommen sie auf wie Augen und begannen zu erzählen. Menschengeschichten zwar - aber Ritchfield interessierte sich für alles, was sich bewegte.
    Für den größeren der beiden Menschenjungen zum Beispiel, der starr und gebannt vor einem flackernden Kasten saß, oder den kleinen Menschenjungen, der, in ein weißes Laken gehüllt, durch den Raum geisterte und sich offenbar amüsierte. Die Plin schlich wie gewohnt von Fenster zu Fenster. Der Häher sprach in ein Sprechgerät.
    Zwei Stockwerke tiefer leuchtete auf einmal ein Fenster auf, und Hortense stand da,

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