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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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Die ersten Ziegen hatten ihn entdeckt und hopsten über die Weide auf ihn zu.
    Die Krähe krächzte ein triumphierendes Krähenkrächzen. Der Ziegenhirt blickte zu den Schafen hinüber. Seine Augen waren so blau, dass sie es sogar aus der Entfernung sehen konnten.
    Die Schafe standen ertappt um Yves herum und ließen die Ohren hängen.
    Die Krähe krächzte lauter.
    Der Ziegenhirt wandte sich ab und schlurfte weiter am Zaun entlang, seinen Sack über der Schulter. Er kippte den Inhalt des Sacks über den Ziegenzaun - Rüben und Karotten! -, dann musterte er seine fressenden Ziegen. Gründlich.Jede einzelne. Er schien nicht ganz zufrieden mit dem, was er da sah, und seine Augen wanderten weiter über die Weide. Hin und her, auf und ab.
    »Er sucht Madouc«, sagte Miss Maple.
    Aber der Ziegenhirt fand sie nicht. Endlich ging er wieder zurück zum Tor. Das Tor knarrte zu. Die Schafe sahen sich an.
    »Er muss sehr kurzsichtig sein«, sagte Mopple. »Kurzsichtiger als ich! Oder er interessiert sich nicht für Yves.«
    »Nein«, sagte Miss Maple. »Er kann nur nicht durch uns hindurchsehen. Solange wir vor Yves stehen, kann man ihn vom Schloss aus nicht sehen!«
    Die Schafe beschlossen, so lange um Yves herumzustehen, bis der versprochene Schnee ihn ganz zugedeckt hatte.
    Eine zweite Krähe landete in den Zweigen der alten Eiche. Dann eine dritte.
    Sie versuchten, das Beste aus der Situation zu machen, und grasten ein bisschen. Aber der schattige Fleck unter dem Baum war kalt und zugig und gab kulinarisch nicht viel her. Es war hell geworden, und fette graue Wolken schubsten sich über den Himmel.
    Wind kam auf.
    Rebeccas Fenster erwachte. Die Schafe sahen düster hinüber zum Schäferwagen, wo Rebecca und Mama jetzt im Warmen saßen und Brot und Honig frühstückten, während sie hier draußen ihren Schießeifer büßen mussten. Die ersten Schneeflocken wehten über die Weide. Yves hatte aufgehört zu riechen.
    Inzwischen hing die Krone der alten Eiche voller Krähen. Sie schnäbelten und zeterten und machten die Schafe nervös. Nur Ritchfield mochte die Krähen. Auf Yves begann sich ein leichter Flaum zu bilden - noch lange nicht genug, aber viel versprechend. Die Schafe standen entschlossen herum und warteten.
    Einige Krähen tropften von der Baumkrone auf die Weide. Sie machten die Hälse lang, staksten neugierig zwischen Schafsbeinen herum und beäugten den Toten mit geschulten schwarzen Krähenaugen.
    »So geht das nicht!«, schnaubte Othello. »Sobald sie anfangen, auf ihm herumzuhüpfen, hilft uns der ganze Schnee nichts!«
    Othello begann, im Zickzack zwischen den Schafen hindurchzugaloppieren, auf Krähenjagd. Das war nicht einfach, denn die Krähen waren klug. Sie tauchten unter Schafsbäuchen hindurch, flatterten auf Schafsrücken und schienen sich nicht übel zu amüsieren, als Othello um ein Haar Ramses umrannte. Ramses begann, hysterisch zu blöken. Lane, Cloud, Mopple und Cordelia blökten zur Gesellschaft mit.
    »Hört auf«, knurrte Othello. »Wenn ihr selbst so einen Krach...«
    Weiter kam er nicht.
    Auf einmal war die Luft um sie herum weiß. Weiß und schneidend. Das Schloss und der Schäferwagen verschwanden. Alles verschwand.
     
    Ritchfield stand mitten im Nichts und wunderte sich. Gerade eben hatte er noch... Aber jetzt! Wo war alles? Und warum war es so weiß? Ritchfield mochte Weiß. Weiß wie ein Schmetterling, weiß wie Milch, weiß wie ein Lamm, weiß wie eine Herde... Wo war seine Herde? Irgendwo! Ritchfield spähte mit seinen guten Augen entschlossen durch das Weiß. Und dann sah er - das Grau! Endlich! Weit weg zuerst, und im ersten Augenblick dachte er, er hätte es sich nur eingebildet, aber dann wurde es größer und anmutiger, größer und klarer und immer grauer. Gehörnt. Ritchfield wurde warm und ruhig. Er konnte Dinge hören, die er schon lange nicht mehr gehört hatte: das Pfeifen des Windes, das Knistern der Flocken. Hufe im Schnee.
    Melmoth blieb in einiger Entfernung stehen und blickte zu Ritchfield herüber. Ritchfield stand nur da, jung und glücklich, und fühlte sich ganz. Er wollte lostraben, auf seinen Zwilling zu, wie früher. Noch nicht! Melmoth hob die Hörner und sah ihn ernst an. Auch Ritchfield hob die Hörner ein bisschen höher und...
    »Da ist Ritchfield!«, blökte jemand.
    Der alte Leitwidder blinzelte Schnee aus den Augen, und als er damit fertig war, war Melmoth verschwunden. Ritchfield war nicht allzu besorgt darüber. Melmoth würde zurückkommen. Melmoth

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