Garou
erfahren bei deinem Hexenzauber?«
»Vielleicht!« Mama saugte genüsslich an ihrem Stängel.
Rebecca sah neugierig aus, aber sie sagte nichts.
»Ich weiß, woher der Schrank kommt!«, platzte Mama heraus.
»Na ja«, sagte Rebecca. »Nicht gerade unser dringlichstes Problem.«
Mama schwieg und betrachtete kritisch ihre roten Fingernägel.
»Woher?«, fragte Rebecca endlich.
»Woher?«, blökten die Schafe. Die Sache interessierte sie auch. Wenn sie wussten, woher der Schrank kam, konnten sie ihn vielleicht überreden, auf seinen kleinen Füßchen dorthin zurückzutrippeln, mit seinem unheimlichen Innenleben aus Wäldern und Pelzmänteln und Halbziegen, und so obendrein neue Weidefläche gewinnen.
»Aus dem Schloss!«, sagte Mama.
»Jeder weiß, dass er aus dem Schloss kommt«, sagte Rebecca. »Wo gibt es denn sonst solche Schränke aus Eichenholz mit Schnitzereien und Beschlägen und Löwenfußen.«
»Wenn du schon alles weißt, musst du ja nicht fragen«, sagte Mama und klopfte Asche in den Schnee. »Aber es ist keine schlechte Geschichte.«
Die Schafe rückten näher, sogar der fremde Widder, der vermutlich kein Wort verstehen konnte.
»Erzähl schon!«, sagte Rebecca.
»Wusstest du, dass das hier früher eine Nervenheilanstalt war?«, fragte Mama. »Ja«, sagte Rebecca.
Es war kein guter Anfang. Mama saugte ein bisschen säuerlich an ihrer Zigarette und schwieg.
»Warum hast du mir das nicht erzählt?«, fragte sie schließlich.
»Ich wollte deine Fantasie nicht noch zusätzlich beflügeln. Und, na ja, es ist vorbei, stimmt's? Jetzt ist es eben nur noch ein Schloss.«
»Nun, die Geschichte stammt aus der Zeit, als es noch eine Anstalt war«, sagte Mama. »Das ist übrigens noch gar nicht so lange her. Fünf Jahre oder so. Der Vater von diesem Schnösel war ein Nervenarzt...«
»Er ist kein Schnösel!«, sagte Rebecca.
»Wenn das kein Schnösel ist! Ich habe noch nie einen Mann im Pelz... na ja, egal. Jedenfalls war es die Art von Anstalt, bei der sich die Verwandten nicht ganz so schlecht fühlen müssen, wenn sie ihre alten Eltern einliefern, mit Schloss und Park und jeder Patient ein Zimmer für sich. Nobel. Nur war in den Zimmern nichts! Gar nichts, kein Tisch, kein Stuhl, nichts, nur Metallbetten. Und irgendwann hat sich jemand beschwert, dass er schon gar nicht mehr wisse, wie Möbel überhaupt aussehen, und dass er ein Recht auf einen Schreibtisch habe. Und dann hat der Arzt angeordnet, Möbel auf die Weide hier zu bringen, den Schrank und das Sofa und die Kommode, die feinsten Möbel, damit all seine Patienten sie sehen konnten, wenn sie aus ihren Fenstern im dritten Stock guckten. Er sagte, es sei therapeutisch. Therapeutisch! Kannst du dir vorstellen, wie sich die Leute gefühlt haben müssen, als sie die Ziegen auf dem Sofa gesehen haben? Wenn du mich fragst, das war ein Sadist.«
»Das ist eine gute Geschichte«, sagte Rebecca anerkennend, drückte ihre Zigarette im Schnee aus und steckte sie säuberlich in die Tasche. »Von wem hast du die denn?«
»Eric. Oder besser gesagt: Hortense, aber die hat sie von Eric. Hortense war damals noch gar nicht hier, aber Eric hat geholfen, die Möbel auf die Weide zu tragen. Die müssen damals so einen richtig bösen Ziegenbock gehabt haben.« Auch Mama hatte ihre Zigarette ausgedrückt und wusste nicht so recht, wo sie jetzt mit dem Stummel hinsollte.
»Irgendwas stimmt nicht mit diesem Eric!«
Rebecca seufzte. »Was stimmt denn jetzt schon wieder nicht?«
»Naja, ich habe ihm die Karten gelegt, und er hat sich überhaupt nicht dafür interessiert. Keine Regung. Nichts. Als wäre das gar nicht sein Leben.«
»Er glaubt eben nicht daran! Hortense hat ihn zu dir geschleift, weil sie in ihn verschossen ist, das ist alles.«
»In wen sollte sie hier auch sonst verschossen sein, das arme Kind.« Mama hatte mit ihrem Fuß ein Loch in den Schnee gebohrt, und in einem unbeobachteten Moment ließ sie den Zigarettenstummel hineinplumpsen.
»Die Fronsac hat mich gefragt, ob ich Kontakt mit den Toten aufnehmen kann«, sagte sie unvermittelt.
»Und?«, fragte Rebecca. »Kannst du?«
»Sei nicht albern«, sagte Mama und scharrte heimlich ihr Schneeloch wieder zu.
Rebecca schwieg. Mama schielte wieder nach der Schachtel mit Zigaretten.
»Der Fernseher funktioniert nicht«, jammerte sie dann.
Rebecca lachte leise auf. »Das hätte ich dir gleich sagen können.«
»Oh, ich glaube nicht, dass er kaputt ist«, sagte Mama würdevoll und rückte ihr
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