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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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nicht«, sagte Mama schließlich. »Der Gehängte fehlt.«
    »Irgendwie bin ich froh«, sagte Rebecca. »Ich meine, es ist eine traurige Geschichte, aber immerhin war es nicht Zerstörungswut oder so. Sie hat es getan, weil sie mich mag!«
    »Der Gehängte fehlt«, sagte Mama störrisch. »Wie soll ich ohne den Gehängten ...«
    Rebecca zuckte mit den Achseln. »Ohne die Gerechtigkeit geht es doch auch!«
    »Das ist etwas anderes«, sagte Mama scharf. »Etwas ganz anderes! Der Gehängte steht für Opfer und Erkenntnis. Wie soll man ohne Opfer und Erkenntnis vernünftig Karten lesen können?«
    Die Schafe standen im Windschatten des Schäferwagens und versuchten, Rebecca zu ignorieren. Seit die Schäferin ihr Silber zum zweiten Mal im Abfalleimer versenkt hatte, waren sie gar nicht mehr gut auf sie zu sprechen.
    »Es war sicher die falsche Karte«, sagte Cordelia fröstelnd. »Jetzt liegt Yves unter der Eiche, na und? Zu was soll das gut sein?«
    »Mopple soll eine andere Karte fressen!«, blökte Cloud.
    »Wo ist Mopple?«, fragte Ramses.
    Die Schafe sahen sich um. Mopple war nirgends!
    Sie rückten enger zusammen. Es war nicht zu übersehen, dass sie weniger wurden. Zuerst Zora, Heide und Maude, das Warnschaf. Dann Othello. Jetzt Mopple. Sie kamen sich dünn vor - wie geschoren. Alle ihre Pläne gegen den Garou hatten bisher nicht zu mehr Sicherheit, sondern immer nur zu weniger Schafen geführt. Diesmal wollte sich niemand mehr von der Weide wagen, um das Papier zu holen.
    »Marcassin!« Der Ungeschorene war näher an sie herangetrabt, nicht so nah, dass er sie berührte, aber so nah, dass sie ihn riechen konnten. Niemand störte sich daran. Ein Schaf mehr war ein Schaf mehr, und es fühlte sich warm und gut an.
    »Was zieh ich heute Abend bloß an?«, sagte Mama und starrte auf ihre Karten.
    Rebecca holte tief Luft.
    »Ich habe einen Vorschlag«, sagte sie dann. »Ich sorge dafür, dass die Antenne aufs Dach kommt, und du bleibst heute Abend zu Hause.«
    »Ich bin dir peinlich«, sagte Mama.
    »Ich möchte die Schafe nicht alleine lassen«, sagte Rebecca und blickte zu Boden. »Nicht, nachdem all diese Sachen passiert sind. Aber ich würde gerne gehen. Ich war noch nie richtig im Schloss, nur unten in der Küche und in der Bibliothek.«
    »Ich frag die Karten«, sagte Mama.
    Rebecca schnippte wütend ihre Zigarette in den Schnee. Die Schafe vergaßen einen Moment, sie zu ignorieren, und staunten.
    »Immer werden die blöden Karten befragt! Immer! Was zum Teufel glaubst du denn, ist in diesen Karten, was nicht auch hier draußen in der Welt ist?«
    »Nichts«, sagte Mama. »Aber manchmal helfen sie uns zu sehen.«
    Miss Maple guckte neugierig. Rebecca schwieg. »Ich bleib hier«, sagte Mama. Rebecca schwieg.
    »Übrigens, Hortense war da«, sagte die Schäferin schließlich. »Mit dem kleinen Jungen, du weißt schon, dem ganz kleinen.«
    »Jules«, sagte Mama. »So klein ist er nicht.«
    »Er will die Karten gelegt bekommen«, sagte Rebecca. »Machst du das? Und erzähl ihm bloß keinen Blödsinn!«
     
    Mopple the Whale hatte gründlich genug von Ziegen, echten wie eingebildeten. Er war von einer dicken gelben Tigerkatze angefaucht worden und von einem stinkenden Schwein angegrunzt, er wäre fast in einem Misthaufen versackt und beinahe zwischen zwei dicken Tonnen stecken geblieben. Mopple hatte sogar das extragroße Auto gesehen, schlafend, in einer Ecke. Nur von Zora, Heide und Maude fehlte weiterhin jede Spur.
    »Ich will zurück!«, blökte Mopple, aber auf einmal schienen die drei Ziegen tauber als Sir Ritchfield zu sein. Endlich blieben sie doch stehen, im Schutze eines Holzstapels.
    »Er ist nicht hier!«, seufzte Kalliope.
    »Hier ist er nicht«, bestätigte Amaltee.
    »Ihr wisst, was das bedeutet«, sagte Circe.
    Die anderen beiden nickten. »Wir müssen herum!«
    Die Art, wie sie »herum« sagten, gefiel Mopple nicht.
    »Warum?«, fragte er. »Wo herum?«
    »Darum!«, sagten die drei Ziegen und blickten nach oben. Nach sehr weit oben. Mopple legte ebenfalls den Kopf in den Nacken.
    »Ums Schloss?«, fragte er leise.
    Circe nickte. Vorsichtig glitt sie aus dem Schatten des Holzstapels hervor, auf das Schloss zu. Dann Amaltee. Dann Kalliope. Dann - sehr widerwillig - Mopple.
    Sie folgten dem Graben, der das Schloss umrundete, vorbei an starren, kahlen Bäumchen und einem Schwan aus Stein. Unten im Graben roch es nach Wasser. Mopple riskierte einen Blick und erschrak: Da unten trabten auch drei Ziegen und

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