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Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
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ein Widder. Ein ziemlich rundlicher Widder. Wo er bei dem ganzen Schnee so viel Futter fand, hätte Mopple schon interessiert. Die Ziegen sahen schlanker aus, und verwegener. Der dicke Widder guckte eingeschüchtert zu Mopple hinauf. Er tat ihm leid. Mit drei Ziegen im Graben - kein Vergnügen! Wenigstens war Mopple hier oben im Freien, konnte Wind riechen und in alle Richtungen sehen. Ermutigt trabte der dicke Widder weiter.
    Dann waren sie plötzlich aus dem Schatten des Schlosses herausgetreten und standen auf einer Art steinernem Plateau. Und dahinter...
    »Was ist das?«, krächzte Mopple.
    »Das«, sagten die Ziegen im Chor. »Das ist das Labyrinth!«
     
    »Etwas nach links«, sagte Rebecca. »Etwas nach rechts«, sagte Mama.
    Zach stand auf dem Dach des Schäferwagens und balancierte ein Geweih aus Metall hin und her. Die Schafe standen da und sahen zu.
    Alle bis auf Miss Maple. Miss Maple hatte als Lamm Ahornsirup von Georges Brot gestohlen, und jetzt war sie dabei, eine von Mamas Karten von den Stufen des Schäferwagens zu stehlen. Die Karten mochten nicht funktionieren wie die Landkarte, aber sie halfen zu sehen, hatte Mama gesagt - und Miss Maple wollte sehen: die Wahrheit und notfalls sogar den Garou. Auf der ersten Karte, die ihr unter die Nase kam, war etwas, das ein bisschen wie das Schloss aussah. Menschen flogen durch die Luft. Nicht besonders appetitlich, aber Maple hatte keine Zeit, wählerisch zu sein, und biss zu, kaute, kaute noch einmal und schluckte. Hart und trocken. Und ein bisschen bitter. Sie verstand nicht, was Mopple an Karten fand.
    Sie trat ein paar Schritte vom Schäferwagen weg und blickte umher. Sah sie schon besser? Sie sah Zach, Mama und Rebecca, ihre Herde und den Ungeschorenen, die Ziegen jenseits des Zauns, den Wald und das Schloss. Nichts Neues. Mamas Karten funktionierten genauso wenig, wie das Stielaugengerät funktioniert hatte. Auf einmal hatte Maple das seltsame Gefühl, dass sie gar nicht sehen musste. Dass sie schon gesehen hatte - nur nicht verstanden. Die Spur des Garou war in ihrem Kopf, irgendwo, zum Rupfen nah.
    Maple schloss die Augen und spähte wieder. Diesmal sah sie kein Schloss und keine Weide. Nur das Meer. Dann einen Fluss. Nein, es war nicht wirklich ein Fluss. Ein Moment auf der Landstraße, mit dunklem Gewitterhimmel und Sonne davor, der nasse Asphalt schimmernd wie ein Fluss. Sie waren nicht mehr auf der Landstraße, weil die Frau mit den strengen Haaren sie eingeladen hatte. Warum hatte die Frau sie eingeladen? Eine Spinne, die sich damit abmühte, ein verirrtes Birkenblatt wieder aus ihrem Netz zu lösen. Die Weide im schrägen, gelblichen Licht, Momente, bevor die Sonne hinter dem Schloss verschwand. Selbst wenn die Sonne sich hinter dem Schloss versteckt hatte, konnte man sie erahnen an den leuchtend hellen Rändern. Auch den Garou musste man in seinem Menschenversteck erahnen können. Doch wo waren die Ränder eines Menschen? Maple wusste es nicht und blickte weiter. Das Reh im Wald. Der Blick der kleinen Ziege, bevor sie der Spur des Garou folgte. Warum war die kleine Ziege so wild darauf, den Garou zu finden? Die anderen Ziegen schien er nicht zu stören. Zach im Wald. Hortense mit den Jungmenschen auf der Weide. Der Ziegenhirt hier und der Ziegenhirt im Wald. Yves unter der alten Eiche. Zu was war das gut? Es musste zu etwas gut sein! Auf einmal war sich Miss Maple sehr sicher, dass nicht Rebecca Yves auf dem Gewissen hatte. Sonst hätte sie vorhin nicht so ausdauernd versucht, ihn zu finden. Also war es irgendjemand anderes gewesen - und dieser Jemand musste dafür einen Grund gehabt haben. Vielleicht war Yves unter der alten Eiche ja doch zu etwas gut! Aber zu was? Maple machte die Augen wieder auf.
    »Genau da!«, sagten Mama und Rebecca im Chor. Das kleine Metallgehörn auf dem Schäferwagen sah albern aus.
     
    »Da entlang!«, sagte Circe. »Da entlang!«, sagte Amaltee. »Da entlang!«, meckerte Kalliope.
    Die drei Ziegen blickten in drei verschiedene Richtungen, und Mopple the Whale blickte zwischen ihnen hin und her.
    »Gibt es keinen anderen Weg?«, stöhnte Mopple. Sie waren in einen Irrgarten immergrüner Hecken eingetaucht, und hinter jeder Hecke wartete eine Ecke, wartete eine Ecke, wartete eine Ecke, und dann noch eine Hecke. Nichts als Ecken und Hecken. Unnatürlich.
    »Doch«, sagte Amaltee. »Aber dieser hier ist interessanter! Da entlang!«
    »Warum sind wir hier? Was soll das? Was wollt ihr überhaupt?« Mopple hatte

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