Garou
murmelten Circe und Amaltee.
»Und sie hat allerhand Menschendummheit mit der Milch aufgesogen.«
»Leider. Leider«, murmelten Circe und Amaltee. Die Ziegen kicherten.
»Da entlang!«, meckerte Circe und bog links um die Ecke. Die anderen folgten.
Auf einmal lag das verflixte Labyrinth hinter ihnen. »Endlich!«, dachte Mopple. Dann dachte er: »Der Garou!«
Im nächsten Moment wusste er, dass er sich getäuscht haben musste, denn der Garou war einer, und die Tiere waren zwei. Sie saßen links und rechts von einer Pforte auf Podesten und brüllten lautlos in den Nachmittag.
Mopple und die Ziegen wichen ein bisschen zurück. Raubtiere, so viel war klar, mit langen, gebogenen Klauen und zu vielen scharfen Zähnen im Maul, geduckt, steinern, sprungbereit.
»Da entlang!«, meckerte Circe auf einmal entschlossen und machte einen Schritt auf die Pforte zu.
»Und ihr seid euch sicher, dass sie nichts tun?«, fragte Mopple.
»Sicher nicht«, sagte Amaltee.
»Was ist schon sicher?«, sagte Circe.
»Der einhörnige Bock trifft die Mitte!«, sagte Kalliope.
Die anderen beiden Ziegen sahen sie an, als hätte sie gerade etwas sehr Weises gesagt.
»Stein ist ein Ding, bleibt ein Ding, immer ein Ding«, murmelte Circe, aber Mopple sah, wie sich ihr Fell unter den Blicken der steinernen Raubtieraugen sträubte.
Die rote Ziege keilte kurz nach hinten aus, dann galoppierte sie durch die Pforte. Dann die Graue. Dann die Gescheckte. Die beiden Raubtiere konnten sich nun voll und ganz auf Mopple konzentrieren.
Mopple kniff die Augen zu, dachte an Zoras schöne Hörner und galoppierte los.
Jenseits der steinernen Raubtiere war es überraschend hübsch. Eine einladende offene Fläche, die im Sommer sicher einen guten Weidegrund abgab, gesäumt von Büschen und jungen Birken, und auf der anderen Seite ein kleines, weißes Haus mit einigen Nebengebäuden. Das Einzige, was das friedliche Bild störte, waren zwei ferne braune Flecke auf dem Weiß des Schnees: die beiden Männer, die immer spazieren gingen, liefen über die Wiese auf das Schloss zu.
Mopple und die Ziegen versteckten sich in einem Ginsterbusch und warteten.
Die Männer unterhielten sich, nicht besonders freundlich. Es war seltsam, dass zwei Menschen, die sich so wenig mochten, so viel Zeit miteinander verbrachten. Vielleicht hatten sie Angst, allein in den Wald zu gehen. Oder vielleicht mochten sie sich doch, denn auf einmal lachten die beiden. Lachten und lachten und lachten, bis sich der Dicke vor Aufregung in ein buntes Tuch schnauzen musste.
»Was haben sie gesagt?«, fragte Mopple, als die beiden Spaziergänger prustend vorbeigezogen waren.
Amaltee legte den Kopf schief. »>Diesmal muss es ja nicht wie ein Unfall aussehen<, hat der Kleine gesagt. Ist das lustig?«
»Ich weiß nicht«, sagte Mopple. »Und jetzt?« »Hier wohnt Eric und macht Ziegenkäse«, erklärte Kalliope stolz.
»Früher hat er auch Schafskäse gemacht«, fügte Circe tröstend hinzu. »Und wenn wir Glück haben, wohnt hier auch Bernie.«
»Wer ist Bernie?«
Die drei Ziegen schauderten. »Bernie ist verrückt!«
Mopple und die Ziegen trabten flott auf das weiße Haus zu und verpassten so den schwarzen Widder, der den beiden Männern in einigem Abstand folgte.
»Woher weiß Madouc so viel vom Garou, wenn sie ihn noch nie gesehen hat? Wenn ihn noch niemand gesehen hat?«
Maple stand noch immer hinter dem Heuschuppen und dachte. Den anderen Schafen war die Sache zu kompliziert geworden, und sie hatten sich grasend zerstreut. Nur das schweigsamste Schaf der Herde stand noch neben ihr und hörte nachdenklich zu.
»Und woher weiß Mama von dem Werwolf? Und die Fronsac?«
Das schweigsamste Schaf der Herde wusste keine Antwort.
»Nicht von Madouc jedenfalls«, sagte Maple. »Also muss es anders herum sein: Madouc hat die Geschichte von einem Menschen. Eine Menschengeschichte! Der Garou ist ein erfundener Wolf Deswegen kann er in einem Menschen wohnen. Er wohnt im Kopf«
Das schweigsamste Schaf der Herde sah sie fragend an.
Maple nickte. »Die Frage ist: Wer hat die Menschengeschichte erzählt? Und wie ist der Wolf aus der Geschichte herausgekommen?«
Auf einmal witterte sie eine Bedeutungsspur. Klar und breit wie ein Weg. Das schweigsamste Schaf der Herde war ein überraschend inspirierender Gesprächspartner.
»Weißt du, was das bedeutet?«, blökte sie aufgeregt. »Das bedeutet, dass der Mensch sich nicht wirklich verwandelt. Er denkt nur, dass er sich in einen Wolf
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