Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Garou

Garou

Titel: Garou Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leonie Swann
Vom Netzwerk:
Schnee schon alles Blut gesaugt hatte. Und noch ein Huhn. Und noch eins. Ein lebendiges schwarzes Huhn raste panisch an den Schafen vorbei und verschwand zwischen den Gebäuden.
    »Was...«, sagte Heide und verstummte.
    Madouc schien sie nicht zu hören. Sie starrte gebannt auf die halboffene Tür des Hühnerhofs. Drinnen lagen noch mehr tote Hühner. Viel mehr. Dazwischen, weiße Federn im roten Pelz, saß der Fuchs und lächelte, wie nur ein Fuchs lächeln kann.
    Madouc sah nur den Fuchs und hörte nur den Fuchs und roch nur den Fuchs. Die Welt verschwand.
    Es hatte schon einmal einen Fuchs gegeben. Einen roten Tod im Schnee. Der Fuchs war das Erste gewesen, was sie in dieser Welt gesehen hatten: ein fließender Schatten mit Augen aus Licht. Irgendwo meckerte eine Ziege - eine Ziege, die Madouc nie kennenlernen würde. Sie kannten auch sich nicht, aber sie kannten den Fuchs. Der Fuchs war größer und schneller und klüger als sie. Er war das Ende, und Madouc war neugierig. Sie war aufgestanden, zum ersten Mal, um ihn zu sehen, seine Kreise zu sehen, und ihr erster taumelnder Schritt in diesem Leben war auf ihn zu.
    Madouc schüttelte sich, wie sie sich damals geschüttelt hatte, vor Kälte und Wut. Wenn der Tod seine Kreise zog, musste man aufstehen. Man musste den Kreis sehen, mit klaren, gelben Ziegenaugen, und dann, wenn man ihn verstand, musste man ihn verlassen. Egal, wie. Egal, um welchen Preis.
    Damals wie heute.
    Der Fuchs war nicht mehr gefährlich für sie. Der Wolf schon...
    Sehr schweigsam zog die kleine Schafsexpedition weiter, vorbei am Gästehaus, zum Hoftor.
    »Er wollte sie nicht einmal fressen«, murmelte Heide. »Er konnte sie gar nicht alle fressen. Warum?«
    »Er ist der Fuchs. Er kann nicht anders.« Madouc schien kaum zuzuhören. »Gleich sind wir da!«
     
    Die Schafe standen zwischen Heuschuppen und Futterkammer, noch ein wenig atemlos vom vielen Gehütet-Werden, und versuchten, die jüngsten Ereignisse wiederzukäuen, Malonchot, Yves, die Silberkugel und den neuen Hütehund. Vidocq saß mit rosig hängender Zunge am Schäferwagen und ließ sich von Rebecca das Fell kraulen. Obwohl man unter seinen vielen Zotteln kaum die Nasenspitze erkennen konnte, konnte man sehen, dass er glücklich war.
    »Der Garou muss durch eine Silberkugel sterben«, sagte Lane plötzlich.
    »Und Yves ist durch eine Silberkugel gestorben«, blökte Ramses. »Sonnenklar! Wenn er nicht der Garou wäre, wäre er nicht gestorben. So ein kleines Ding! Silber ist eigentlich ganz harmlos, wisst ihr? Mopple hat es im Maul getragen.«
    Auf einmal waren so gut wie alle Schafe der Meinung, dass Yves der Garou war, sogar das schweigsamste Schaf der Herde, das für alle deutlich sichtbar mit dem Kopf nickte. Ein gutes Ergebnis! Die Schafe freuten sich, den Garou so einfach losgeworden zu sein. Yves, der noch immer tot unter der alten Eiche lag, neuerdings auf dem Rücken, war der bestmögliche Garou überhaupt!
    »Ich weiß nicht«, murmelte Miss Maple in den allgemeinen Enthusiasmus hinein. »Irgendetwas stimmt nicht!«
    Die anderen Schafe guckten Maple böse an. Immer, wenn sie den Fall gelöst hatten, kam Maple und sagte, dass irgendetwas nicht stimmte! Maple war überhaupt kein Detektivschaf- eher das Gegenteil: ein Schaf, das immer nur herausfand, was nicht war!
    »Da ist Heide!«, blöke Heathcliff plötzlich. »Heide und Maude und die Ziege! Unten am Hoftor.«
    »Kein Schaf darf die Herde verlassen!«, blökte Ritchfield streng. Trotzdem kam er mit, als die Schafe zum Weidezaun trabten, um die Heimkehrer zu begrüßen.
    »Wo ist Zora?«, fragte Cordelia.
    »Wir... wir haben sie verloren«, blökte Heide, zu erleichtert, um sich wirklich Sorgen zu machen.
    »Der Sündenbock ist schuld!«, erklärte Maude.
    Madouc sagte gar nichts, sondern hopste nur in Bocksprüngen über die Weide und meckerte wieder »Heureka!«.
    Die Schafe ließen sich von ihrer Begeisterung anstecken. Bald blökten alle zusammen nach Heu. Es begann wieder zu schneien.
     
    Sein Herz pochte. Pochte wie... Er wusste es nicht. Schnell jedenfalls. Zu schnell. Nicht normal. Der Schnee fiel langsam, sacht und flockig. Es gefiel ihm, wie der Schnee fiel. Das Pochen in seiner Brust sollte sich ein Beispiel daran nehmen. Poch, poch, poch, leicht wie der Wind.
    Der Schnee lag kalt um seine Füße, glatt und spurlos wie ... egal, wie, es kam ihm seltsam vor. Der Schnee sollte nicht so glatt um ihn liegen. Es war verkehrt. Der Schnee sollte ihm verraten, wo er

Weitere Kostenlose Bücher