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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Literatur Luxus sei; er wünschte sie
sich elementarer – hasste sie jedoch, wenn sie es war.
    »Ich hole jetzt den Rasendünger«,
sagte Helen.
    »Und falls die Besonderheiten
meiner Kunst nicht Qualifikation genug sein sollten«, sagte Garp, »bin ich, wie
du weißt, selbst verheiratet.« Er hielt inne. »Ich habe Kinder.« Er hielt
wieder inne. »Ich habe diverse Erfahrungen mit der Ehe gemacht – die haben wir
beide gemacht.«
    »Springfield Avenue?«, sagte
Helen. »Dann bin ich gleich zu Hause.«
    »Ich bringe mehr als genug
Erfahrung für den Job mit«, fuhr er beharrlich fort. »Ich habe finanzielle
Abhängigkeit erlebt, und ich habe erfahren, was Untreue ist.«
    »Schön für dich«, sagte Helen.
Sie legte auf.
    Aber Garp dachte: Vielleicht ist
Eheberatung selbst dann Quacksalberei, wenn ein aufrichtiger und qualifizierter
Mensch die Ratschläge erteilt. Er legte den Hörer auf die Gabel. Er wusste,
dass er im Branchenbuch sehr erfolgreich für sich werben konnte – und sogar,
ohne zu lügen.
    EHEPHILOSOPHIE
UND FAMILIENBERATUNG
T.S. GARP Verfasser der Bücher Zaudern
und Der Hahnrei fängt sich
    Wozu erklären, dass es Romane
waren? Garp merkte plötzlich, dass die Titel nach Eheratgebern klangen.
    Aber würde er seine armen
Patienten zu Hause oder in einer Praxis empfangen?
    [353]  Garp nahm eine grüne
Paprikaschote und setzte sie in die Mitte der Gasplatte; er stellte die Flamme
größer, und die Schote begann zu brennen. Sobald sie überall schwarz war, würde
Garp sie abkühlen lassen und dann die verkohlte Schale abkratzen. Innen würde
sehr süßer gerösteter Paprika sein, den er in Streifen schneiden und in Öl und
Essig und etwas Majoran marinieren würde. Das würde seine Salatsoße werden.
Aber der Hauptgrund, weshalb er diese Soße gern machte, war der wunderbare
Geruch, mit dem die geröstete Paprikaschote die ganze Küche erfüllte.
    Er drehte die Schote mit einer
Zange um. Als sie überall angekokelt war, nahm Garp sie mit der Zange hoch und
ließ sie ins Spülbecken fallen. Die Schote zischte ihn an. »Du kannst
schimpfen, soviel du willst«, erklärte Garp ihr. »Deine Zeit ist bald um.«
    Er war zerstreut. Gewöhnlich
hörte er beim Kochen gern auf, an andere Dinge zu denken – er zwang sich sogar
dazu. Aber er durchlitt eine Selbstvertrauenskrise, was die Eheberatung anging.
    »Du hast eine
Selbstvertrauenskrise, was dein Schreiben angeht«,
sagte Helen, als sie mit noch mehr als ihrer üblichen Autorität in die Küche
kam.
    Walt sagte: »Daddy hat was
verbrannt.«
    »Das war eine Paprikaschote, und
Daddy hat es mit Absicht getan«, sagte Garp.
    »Immer wenn du nicht schreiben
kannst, machst du irgendeinen Unfug«, sagte Helen. »Obwohl das zugegebenermaßen
besser ist als deine letzte Ablenkung.«
    Garp hatte damit gerechnet, dass
sie schlagfertig sein [354]  würde, aber er war überrascht, dass sie so schlagfertig war. Was Helen als seine letzte Ablenkung
von seiner Schreibblockade bezeichnete, war eine Babysitterin.
    Garp tauchte einen Holzkochlöffel
tief in seine Tomatensoße. Er zuckte zusammen, als irgendein Idiot mit
krachendem Getriebe und quietschenden Reifen um die Hausecke fuhr. Es traf ihn
wie der Schrei einer überfahrenen Katze. Er sah sich instinktiv nach Walt um,
der neben ihm stand – in der sicheren Küche.
    Helen sagte: »Wo ist Duncan?« Sie
ging zur Tür, aber Garp kam ihr zuvor.
    »Duncan ist bei Ralph«, sagte er; diesmal hatte er zwar keine Angst, dass das rasende Auto
Duncan angefahren haben könnte. Aber er hatte die Angewohnheit, Jagd auf rasende
Autos zu machen. Die Raser aus der Nachbarschaft hatte er schon alle zur
Schnecke gemacht. Die Straßen in der näheren Umgebung waren an jeder Kreuzung
von Halteschildern gesäumt: Garp konnte die Autos gewöhnlich zu Fuß einholen,
sofern die Fahrer die Halteschilder beachteten.
    Er sauste die Straße entlang, dem
Geräusch des Autos nach. Manchmal, wenn das Auto wirklich schnell fuhr,
brauchte Garp drei oder vier Halteschilder, um es einzuholen. Einmal sprintete
er fünf Häuserblocks weit und war so außer Atem, als er den Missetäter
erreichte, dass dieser fest davon überzeugt war, in der Nachbarschaft sei ein
Mord begangen worden und Garp wolle entweder die Polizei holen oder sei auf der
Flucht vor ihr.
    Die meisten Fahrer waren von Garp
beeindruckt, und selbst wenn sie ihn später verfluchten, waren sie ihm [355]  gegenüber
doch höflich, entschuldigten sich und versicherten ihm, sie würden in

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