Garp und wie er die Welt sah
bellte er in die Muschel; er beobachtete, wie die Zwiebeln in dem
heißen Öl bräunten.
Es gab keinen potentiellen
Anrufer, bei dem er befürchten musste, dass er ihn beleidigte: Das war einer
der Vorteile der Arbeitslosigkeit. Sein Verleger, John Wolf, würde sich in
Garps Art, Anrufe entgegenzunehmen, nur darin bestätigt sehen, dass Garp
einfach kein Benehmen hatte. Helen war es gewohnt, und falls es ein Anruf für
Helen war – nun, ihre Freunde und Kollegen hatten schon lange den Eindruck,
dass Garp recht ruppig war. Falls es Ernie Holm war, würde Garp eine Sekunde
Gewissensbisse haben: Der Trainer entschuldigte sich immer zu lange, was Garp
in Verlegenheit brachte. Und falls es seine Mutter war, würde sie, das wusste
Garp, zurückbrüllen: »Schon wieder gelogen! Du bist nie mittendrin in etwas. Du
stehst immer am Rand.« (Garp hoffte, dass es nicht Jenny war.) Im Augenblick gab es keine andere Frau, die ihn anrufen würde. Nur
falls es der Kindergarten war, der Bescheid sagen wollte, [347] dass der kleine
Walt einen Unfall gehabt habe, nur falls es Duncan war, der ihm erzählen
wollte, dass der Reißverschluss an seinem Schlafsack kaputt sei oder dass er
sich das Bein gebrochen habe, nur dann würde Garp seine unbeherrschte Art
bereuen. Die eigenen Kinder haben zweifellos das Recht, einen mittendrin in
einer Sache zu stören – sie tun es gewöhnlich auch.
»Mittendrin in was, Liebling?«, fragte ihn Helen. »Und mit wem ?Hoffentlich ist sie nett.«
Helens Stimme hatte am Telefon
etwas, das ihn irgendwie sexuell erregte; es überraschte ihn immer – wie sie
klang –, weil es nicht Helens Art war, sie flirtete nicht einmal gern. Obwohl
er sie privat sehr erregend fand, hatte die Art, wie sie sich in der Außenwelt
kleidete oder gab, nichts Aufreizendes. Aber am Telefon klang sie für ihn
lasziv, schon immer.
»Ich hab mich verbrannt«, sagte
er dramatisch. »Das Öl ist zu heiß, und die Zwiebeln werden schwarz. Was zum
Teufel gibt es?«
»Mein armer Mann«, sagte sie, und
es erregte ihn immer noch. »Du hast keine Nachricht bei Pam hinterlassen.« Pam
war die Sekretärin der Abteilung für englische Literatur; Garp überlegte
verzweifelt, was für eine Nachricht er bei ihr hätte hinterlassen sollen. »Hast
du dich schlimm verbrannt?«, fragte Helen.
»Nein.« Er schmollte. » Was für eine Nachricht?«
»Wegen des Rasendüngers«, sagte
Helen. Düngemittel, erinnerte sich Garp. Er hatte ein
paar Düngemittelhändler anrufen wollen, um nach dem Preis für Rasendünger zu
fragen; Helen sollte ihn auf dem Heimweg mitbringen. Er [348] erinnerte sich, wie
die Eheberatung ihn von den Düngemittelhändlern
abgebracht hatte.
»Ich hab’s vergessen«, sagte er
und dachte, dass Helen einen Alternativplan haben würde. Den hatte sie sich vor
ihrem Anruf längst ausgedacht.
»Ruf jetzt an«, sagte Helen. »Ich
melde mich noch einmal, bevor ich zum Kindergarten fahre. Dann hole ich den
Rasendünger zusammen mit Walt ab. Er mag Düngemittelhändler.« Walt war
inzwischen fünf; Garps zweiter Sohn war in seinem Kindergarten oder seiner
Vorschule – was immer es sein mochte; der dortigen Aura allgemeiner
Verantwortungslosigkeit verdankte Garp seine aufregendsten Alpträume.
»In Ordnung«, sagte Garp. »Ich
fange sofort an.« Er machte sich Sorgen wegen seiner Tomatensoße, und er hasste
es, bei einem Gespräch mit Helen aufzulegen, wenn er so eindeutig mit anderen
Dingen beschäftigt und nicht aufnahmefähig war. »Ich habe einen interessanten
Job gefunden«, erklärte er ihr und kostete ihr Schweigen aus. Aber sie schwieg
nicht lange.
»Du bist Schriftsteller,
Liebling«, erklärte Helen ihm. »Du hast einen
interessanten Job.« Manchmal versetzte es ihn in Panik, dass Helen offenbar
gern wollte, dass er immer zu Hause blieb und »nur« schrieb – weil das die
häusliche Situation am angenehmsten für sie machte. Aber es war auch für ihn
angenehm: Es war das, was er, wie er glaubte, auch wollte.
»Ich muss die Zwiebeln umrühren«,
sagte er, bevor sie weitersprechen konnte. »Und meine verbrannten Hände tun
weh«, fügte er hinzu.
[349] »Ich werde mir alle Mühe
geben, wieder anzurufen, wenn du wieder mittendrin bei etwas bist«, sagte Helen
mit kecker, aufreizender Stimme und mit einem unterdrückten vamphaften Lachen;
es erregte ihn, und es machte ihn zugleich wütend.
Er rührte die Zwiebeln um und
zerdrückte ein halbes Dutzend Tomaten im heißen Öl; dann fügte er Pfeffer,
Salz,
Weitere Kostenlose Bücher