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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Rippen,
dass der Hund hustend vom Bett springt.
    »Armer Bill. Tut mir leid«, sagt
Mrs. Ralph, leise schluchzend. Bills harter Schwanz trommelt dumpf auf den
Fußboden. Um das Maß ihrer Selbsterniedrigung vollzumachen, entfährt Mrs. Ralph
jetzt auch noch ein Furz. Sie weint stetig wie ein warmer Landregen, von dem
Garp weiß, dass er auch den ganzen Tag dauern kann. Garp, der Eheberater, fragt
sich, wie er der Frau ein bisschen Selbstvertrauen geben könnte.
    »Mrs. Ralph?«, sagt Garp – und
beißt sich sofort auf die Zunge.
    »Was?«, sagt sie. »Was haben Sie
da gesagt?« Sie rappelt sich auf die Ellbogen hoch und wendet den Kopf, um ihn
finster anzustarren. Sie hat es gehört, er weiß es. »Haben Sie da eben ›Mrs.
Ralph‹ gesagt?«, fragt sie ihn. »›Mrs. Ralph‹!«, ruft sie. »Sie wissen noch
nicht mal meinen Namen !«
    Garp setzt sich am Rand des
Bettes auf; am liebsten würde er sich zu Bill auf den Fußboden legen. »Ich
finde Sie sehr attraktiv«, flüstert er Mrs. Ralph zu, aber er sieht Bill dabei
an. »Im Ernst.«
    »Dann beweisen Sie es mir!«, sagt
Mrs. Ralph. »Sie gottverdammter Lügner. Zeigen Sie es mir!«
    »Ich kann es Ihnen nicht zeigen«,
sagt Garp, »aber nicht, weil ich Sie nicht attraktiv finde.«
    »Sie haben bei mir nicht mal eine
Erektion!«, schreit Mrs. Ralph. »Da liege ich hier halbnackt, und Sie liegen [400]  neben
mir – auf meinem gottverdammten Bett – und kriegen nicht mal einen Ständer.«
    »Ich wollte nicht, dass Sie es
merken«, sagt Garp.
    »Das ist Ihnen gut gelungen«,
sagt Mrs. Ralph. »Wie heiße ich?«
    Eine eindeutige Schwäche, und
Garp hat sich noch nie so dafür geschämt wie jetzt: dieses Bedürfnis, die Leute
dahin zu bringen, dass sie ihn mögen. Mit jedem Wort, das spürt er, steckt er
tiefer in der Patsche, verstrickt er sich mehr in eine offenkundige Lüge. Jetzt
weiß er, was ein Freak ist.
    »Ihr Mann muss verrückt sein«,
sagt Garp. »Für meinen Geschmack sehen Sie besser aus als die meisten anderen
Frauen.«
    »Ach, hören Sie doch auf!«, sagt
Mrs. Ralph. » Sie sind verrückt.«
    Vermutlich schon, stimmt Garp zu,
aber er sagt: »Sie sollten ruhig ein wenig mehr an Ihre erotische Ausstrahlung
glauben. Und unbedingt auch auf anderem Gebiet Selbstvertrauen entwickeln, das
ist noch wichtiger.«
    »Es hat nie andere Gebiete
gegeben«, gibt Mrs. Ralph zu. »Ich war immer nur scharf auf Sex, und jetzt bin
ich auch beim Sex nicht mehr scharf.«
    »Aber Sie studieren doch«, sagt
Garp vorsichtig.
    »Ich weiß doch selbst nicht, warum ich es tue«, sagt Mrs. Ralph. »Oder meinen Sie etwa das, wenn Sie sagen, dass ich Selbstvertrauen auf anderen
Gebieten entwickeln soll?« Garp kneift angestrengt die Augen zusammen und
wünscht sich weit weg; als er spürt, wie das Wasserbett wogt, schwant ihm
Böses, und er öffnet die Augen. Mrs. Ralph hat sich ausgezogen und nackt aufs
Bett gelegt. Die [401]  kleinen Wellen klatschen immer noch unter ihrem massigen
Körper, der Garp wie ein störrisches, auf kabbeligem Wasser ankerndes Motorboot
anschaukelt. »Zeigen Sie mir, dass Sie einen Ständer haben, dann können Sie
gehen«, sagt sie. »Zeigen Sie mir Ihren Ständer, und ich glaube Ihnen, dass Sie
mich mögen.«
    Garp versucht, eine Erektion
herbeizuzwingen. Zu diesem Zweck schließt er die Augen und denkt an jemand
anders.
    »Sie Schuft!«, sagt Mrs. Ralph.
Aber Garp stellt fest, dass er schon hart ist; es war nicht halb so schwer, wie
er sich vorgestellt hatte. Als er die Augen wieder öffnet, muss er feststellen,
dass Mrs. Ralph nicht ohne Reiz ist. Er zieht seine Turnhose herunter und zeigt
ihr seinen Ständer. Allein die Geste macht ihn noch härter; er stellt fest,
dass er ihr feuchtes, lockiges Schamhaar mag. Aber Mrs. Ralph scheint von der
Demonstration weder enttäuscht noch beeindruckt. Sie hat sich mit ihrem
Schicksal abgefunden. Resigniert zuckt sie mit den Schultern. Sie dreht sich um
und wendet Garp ihr großes rundes Gesäß zu.
    »Okay, Sie können ihn also
wirklich hochkriegen«, sagt sie. »Danke. Sie dürfen jetzt gehen.«
    Garp spürt den Wunsch, sie
anzufassen. Krank vor Verlegenheit spürt Garp, dass er kommen könnte – er
brauchte sie dazu nur anzusehen. Er tappt zur Schlafzimmertür hinaus, die
elende Treppe hinunter. Ist die Selbsterniedrigung, die diese Frau mit sich
treibt, wenigstens für heute Nacht zu Ende?, fragt er
sich. Ist Duncan hier sicher?
    Während er noch überlegt, die
Nachtwache bis zum Morgengrauen auszudehnen,

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