Garp und wie er die Welt sah
fortkommst.«
»Sie gehen jetzt besser«, erklärt
Garp ihm. »Ich werde Ihnen helfen, Ihre Sachen zusammenzusuchen.«
Der junge Mann schließt die
Augen. Er scheint zu meditieren. »Auf diesen Mist versteht er sich«, sagt Mrs.
Ralph zu Garp. »Der Kerl kann nur seine verdammten Augen schließen, das ist
alles, wozu er taugt.«
»Wo sind Ihre Sachen?«, fragt
Garp den Jungen. Er schätzt ihn auf siebzehn oder achtzehn, gerade alt genug
fürs College oder für den Krieg. Der Junge träumt weiter, und Garp rüttelt ihn sanft
an der Schulter.
»Fassen Sie mich nicht an, Mann«,
sagt der Junge, macht aber die Augen immer noch nicht auf. In seiner Stimme
schwingt ein drohender Unterton, der Garp zurück- und zu Mrs. Ralph herumfahren
lässt. Sie zuckt die Achseln.
»Das hat er mir auch gesagt«,
sagt sie. Wie ihr Lächeln wirkt auch ihr Achselzucken spontan und aufrichtig.
Garp packt den Pferdeschwanz des Jungen, legt ihn ihm über die Kehle und reißt
daran; dann nimmt er den Kopf des Jungen in den Schwitzkasten. Da schlägt der
Junge endlich die Augen auf.
[394] »Du ziehst dich jetzt an,
verstanden?«, sagt Garp.
»Fassen Sie mich nicht an«, sagt
der Junge wieder.
»Klar fasse ich dich an«, gibt
Garp zurück.
»Okay, schon gut«, sagt der Junge
und steht auf. Er ist einige Zentimeter größer als Garp, wiegt aber gut fünf
Kilo weniger. Er sucht seine Sachen, aber Mrs. Ralph hat den langen purpurroten
Kaftan mit der schweren Brokatstickerei bereits gefunden. Der Junge legt ihn
sich um wie eine Rüstung.
»Es war nett, Sie zu bumsen«,
sagt er zu Mrs. Ralph, »aber Sie sollten lernen, mehr zu relaxen.« Mrs. Ralph
lacht so rauh, dass der Hund aufhört, mit dem Schwanz zu wedeln.
»Und du solltest noch einmal von
vorn anfangen«, sagt sie zu dem Jungen, »und alles noch einmal lernen.« Sie
legt sich auf das Wasserbett, neben den Hund, der den Kopf auf ihren Bauch
legt. »Oh, lass das jetzt, Bill!«, fährt sie den Hund an.
»Sie kann überhaupt nicht richtig
relaxen«, informiert der Jüngling Garp.
»Du hast keinen blassen Schimmer,
wie man jemanden zum Relaxen bringt«, sagt Mrs. Ralph.
Garp geleitet den jungen Mann aus
dem Zimmer und die tückische hintere Treppe hinunter, durch die Küche und bis
vor die offene Haustür.
»Wissen Sie, sie hat mich
hereingebeten«, erläutert der Junge. »Es war ihre Idee.«
»Sie hat Sie auch gebeten zu
gehen«, sagt Garp.
»Sie können anscheinend genauso
wenig relaxen wie sie«, sagt der Junge zu ihm.
[395] »Wussten die Kinder, was los
war?«, fragt Garp ihn. »Schliefen sie schon, als Sie beide nach oben gingen?«
»Machen Sie sich keine Sorgen um die
Kinder«, sagt der Junge. »Kinder sind schön, Mann. Und sie wissen viel mehr,
als die Erwachsenen denken. Kinder sind einfach vollkommene Menschen, bis die
Erwachsenen sie in die Mangel nehmen. Die Kinder waren einfach klasse. Kinder
sind immer klasse.«
»Haben SiedennKinder?«, fragt Garp, plötzlich ungehalten. Er hatte
wahrhaftig viel Geduld mit dem jungen Mann, aber mit seiner Bemerkung über die
Kinder hat dieser den Bogen eindeutig überspannt. Bei der Kindererziehung lässt
Garp sich nicht reinreden. »Leb wohl«, sagt Garp zu dem Jungen, »und komm nur
ja nie wieder.« Er gibt ihm einen kleinen Schubs über die Schwelle und zur
Haustür hinaus.
»Schubsen Sie mich nicht!«, ruft
der Junge und versucht, ihm einen Fausthieb zu verpassen, aber Garp taucht
darunter weg und nimmt den Jungen von hinten in den Schwitzkasten; es kommt ihm
so vor, als könnte der junge Mann maximal vierzig Kilo wiegen, obwohl er in
Wahrheit bestimmt schwerer ist. Er verdreht ihm die Arme hinter dem Rücken,
hebt ihn wie eine Puppe hoch und setzt ihn erst ab, als sie am Straßenrand
angelangt sind.
»Weißt du, wo’s langgeht?«, fragt
Garp ihn. »Oder muss ich’s dir zeigen?« Der Junge holt tief Luft, betastet
seine Rippen.
»Und untersteh dich, deinen
Freunden zu erzählen, wo sie umsonst was erleben können«, sagt Garp. »Und ruf
ja nicht an.«
[396] »Ich weiß doch nicht mal, wie
sie heißt, Mann«, jammert der Junge.
»Und sag nicht noch mal ›Mann‹ zu
mir«, sagt Garp.
»Okay, Mann«, sagt der Jüngling.
Garp spürt eine angenehme Trockenheit in der Kehle, es juckt ihn, sich mit dem
Jungen anzulegen, er lässt es aber bleiben.
»Hau bloß ab«, sagt Garp.
Als er einen Block entfernt ist,
ruft der Junge: »Auf Wiedersehen, Mann!« Garp, der weiß, dass er ihn mühelos
einholen könnte, stellt sich
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