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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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eine. »Fehlt [408]  ihm etwas?« Er leuchtete Duncan mit einer
Taschenlampe ins Gesicht. Duncan versuchte immer noch zu schlafen, und wandte
blinzelnd den Kopf ab.
    »Er hat heute Nacht bei einem
Freund geschlafen«, sagte Garp. »Aber es hat nicht richtig geklappt. Ich bringe
ihn nach Hause.«
    Der Polizist leuchtete Garp mit
seiner Lampe ab – Garp in seiner Langstreckenlaufkluft. Turnhose, Schuhe mit
Rennstreifen, kein Hemd.
    »Können Sie sich ausweisen?«,
fragte der Polizist. Garp legte Duncan und den Schlafsack behutsam auf jemandes
Rasen.
    »Natürlich nicht«, sagte Garp.
»Wenn Sie mich nach Hause fahren, werde ich Ihnen etwas zeigen.« Die Polizisten
tauschten einen Blick. Sie waren vor Stunden in das Viertel geschickt worden,
weil eine junge Frau gemeldet hatte, sie sei von einem Exhibitionisten,
mindestens von einem Flitzer belästigt worden. Womöglich handelte es sich um
eine versuchte Vergewaltigung. Sie war ihm mit dem Fahrrad entkommen, sagte
sie.
    »Treiben Sie sich schon lange
hier draußen herum?«, fragte einer der Polizisten Garp.
    Die dritte Gestalt, die auf dem
Rücksitz des Polizeiautos saß, beobachtete durchs Fenster das Geschehen
draußen. Als sie Garp erblickte, sagte sie: »He, Mann, wie geht’s?« Duncan
wachte auf.
    »Ralph?«, sagte Duncan.
    Ein Polizist kniete sich neben
den Jungen auf die Erde und zeigte mit der Taschenlampe zu Garp hoch. »Ist das
dein Vater?«, fragte er Duncan. Der Junge war verunsichert; [409]  er blickte von
seinem Vater zu den Polizisten und dann zu dem Blaulicht, das auf dem
Streifenwagen kreiselte.
    Der andere Polizist ging hinüber
zu der Gestalt auf dem Autorücksitz. Es war der Junge mit dem purpurroten
Kaftan. Die Polizisten hatten ihn aufgelesen, als sie das Viertel nach dem
Exhibitionisten absuchten. Der Junge hatte ihnen nicht mitteilen können, wo er
wohnte – weil er nirgendwo richtig wohnte. »Kennen Sie den Mann mit dem Kind
da?«, fragte der Polizist den Jungen.
    »Ja, das ist ein ganz harter
Bursche«, sagte der junge Mann.
    »Alles in Ordnung, Duncan«, sagte
Garp. »Hab keine Angst. Ich bringe dich nur nach Hause.«
    »Sohn?«, fragte der Polizist
Duncan. »Ist das dein Vater?«
    »Sie machen ihm Angst«, sagte
Garp zu dem Polizisten.
    »Ich habe keine Angst«, sagte
Duncan. »Warum bringst du mich nach Hause?«, fragte er seinen Vater. Das hätten
offenbar alle gern gewusst.
    »Ralphs Mutter ging es nicht
gut«, sagte Garp. Er hoffte, das würde als Erklärung reichen, aber der
verschmähte Liebhaber hinten im Streifenwagen fing an zu lachen. Der Polizist
mit der Taschenlampe richtete den Lichtstrahl auf den jugendlichen Liebhaber
und fragte Garp, ob er ihn kenne. Garp dachte: Hier ist kein Ende in Sicht.
    »Mein Name ist Garp«, sagte Garp
gereizt. »T.S. Garp. Ich bin verheiratet. Ich habe zwei Kinder. Eines davon –
der Junge hier, er heißt Duncan, mein Ältester – hat die Nacht bei einem Freund
verbracht. Ich hatte plötzlich so eine Ahnung, dass die Mutter dieses Freundes
möglicherweise nicht gut genug auf ihn aufpassen würde. Also ging [410]  ich hin,
um meinen Sohn nach Hause zu holen. Das heißt, ich bin immer noch dabei.
    Der junge Mann da drüben«, fuhr
Garp fort und zeigte auf den Streifenwagen, »war gerade bei der Mutter des
Freundes meines Sohnes zu Besuch, als ich dort hinkam. Die Mutter wollte den
jungen Mann da drüben loswerden«, sagte Garp und
deutete wieder auf den Jungen in dem Streifenwagen. »Und er ist dann auch
gegangen.«
    »Wie heißt die Mutter?«, fragte
ein Polizist, der alles in einem riesigen Notizblock festzuhalten versuchte.
Nach einer höflichen Pause blickte der Polizist zu Garp auf.
    »Duncan?«, fragte Garp seinen
Sohn. »Wie heißt Ralph mit Nachnamen?«
    »Er wird gerade geändert«, sagte
Duncan. »Früher hatte er den Nachnamen seines Vaters, aber seine Mutter will
ihn ändern lassen.«
    »Ja, aber wie heißt sein Vater ?«, fragte Garp.
    »Ralph«, sagte Duncan. Garp
schloss die Augen.
    »Ralph Ralph?«, fragte der
Polizist mit dem Block.
    »Nein. Duncan, denk bitte nach«,
sagte Garp. »Wie heißt Ralph mit Nachnamen ?«
    »Also, ich glaube, das ist der
Name, der gerade geändert wird«, sagte Duncan.
    »Duncan, von was wird er geändert?«, fragte Garp.
    »Du kannst ja Ralph fragen«,
schlug Duncan vor. Garp hätte am liebsten geschrien.
    »Sagten Sie, Sie heißen Garp?«,
fragte einer der Polizisten.
    »Ja«, gestand Garp.
    »Und die Anfangsbuchstaben Ihrer
Vornamen sind [411]

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