Garp und wie er die Welt sah
geschwelgt; schwer zu sagen, worum es
in ihrer Beziehung zu Michael Milton sonst noch
gegangen war. Aber sie lag nicht ganz falsch in der Annahme, dass es dies war,
worum es in Helens Beziehung zu Michael Milton ebenfalls ging. Margie Tallworth
war insofern ahnungslos, als sie zu viel annahm, zu viel im jeweiligen
Augenblick; aber in diesem Fall hatte sie das Richtige angenommen.
Als Michael Milton und Helen
tatsächlich noch über Michaels »Arbeit« sprachen, schon damals nahm Margie an,
dass sie miteinander bumsten. Margie Tallworth glaubte nicht, dass man zu
Michael Milton eine andere Beziehung haben konnte. Darin war sie nicht
ahnungslos. Sie mag gewusst haben, was für eine Beziehung Helen zu Michael
hatte, ehe Helen es selber wusste.
Und durch das nach außen
verspiegelte Fenster der Damentoilette im vierten Stock des Gebäudes der
Abteilungen Englisch und Literatur konnte Margie Tallworth durch die getönte
Windschutzscheibe des Drei-Tonnen-Buick blicken, der wie der Katafalk eines
Königs vom Parkplatz glitt. Margie konnte Mrs. Garps schlanke Beine auf der
vorderen Sitzbank sehen. Eine merkwürdige Art, Auto zu fahren, wenn man nicht
mit seinem besten Freund fuhr.
Margie kannte die Gewohnheiten
der beiden besser, als sie ihre eigenen verstand; sie machte lange Spaziergänge
in dem Bemühen, Michael Milton zu vergessen und sich mit der Lage von Helens
Haus vertraut zu machen. Sie war [478] auch bald mit den Gewohnheiten von Helens
Mann vertraut, weil Garps Gewohnheiten sehr viel beständiger waren als die irgendeines anderen Menschen: vormittags wanderte er hin
und her, von Zimmer zu Zimmer; vielleicht war er arbeitslos. Das passte zu dem
Bild, das Margie Tallworth sich von dem vermeintlich gehörnten Ehemann machte:
ein Mann, der stellungslos war. Mittags kam er in Sprinterkluft aus der Tür
gesaust und lief fort; etliche Laufmeilen später kehrte er zurück und las seine
Post, die fast immer kam, wenn er fort war. Dann wanderte er wieder durchs
Haus; er entkleidete sich Stück für Stück auf dem Weg zur Dusche, und er
kleidete sich langsam wieder an, wenn er geduscht hatte. Eine Sache passte
nicht zu ihrem Bild von dem gehörnten Ehemann: Garp hatte eine gute Figur. Und
warum war er immer so lange in der Küche? Margie Tallworth fragte sich, ob er
vielleicht ein arbeitsloser Koch sei.
Dann kamen seine Kinder nach
Hause, und sie brachen Margie Tallworths weiches kleines Herz. Er sah richtig
nett aus, wenn er mit seinen Kindern spielte, was ebenfalls zu Margies Annahmen
passte, wie ein gehörnter Ehemann war: jemand, der gedankenlos mit seinen Kindern
herumalberte, während seine Frau sich irgendwo stopfen ließ.
»Stopfen« war auch ein Wort, das die Ringer, die Garp kannte, benutzten, und
sie hatten es auch schon damals in seiner Blut-und-Blau-Zeit in Steering
benutzt. Irgendjemand prahlte immer damit, ein feuchtes, offenes Visier zu
stopfen.
Also wartete Margie eines Tages,
als Garp in Sprinterkluft aus der Tür gesaust kam, gerade so lange, bis er
fortgelaufen war; dann ging sie mit einer parfümierten [479] Mitteilung, die sie
in seinen Briefkasten werfen wollte, die Stufen zum Eingang des Hauses hinauf.
Sie hatte sich sehr genau überlegt, dass er genug Zeit haben würde, die
Mitteilung zu lesen und sich (hoffentlich) davon zu erholen, ehe seine Kinder
nach Haus kamen. So wurden solche Nachrichten, wie sie vermutete, aufgenommen:
unvermittelt! Und dann folgte eine angemessene Zeit, um sich zu erholen, und
man riss sich zusammen, um den Kindern entgegenzutreten. Auch hier gab es
etwas, worin Margie Tallworth ahnungslos war.
Schon die Mitteilung hatte sie in
Bedrängnis gebracht, weil sie nicht geschickt im Umgang mit Worten war. Und die
Mitteilung war nicht absichtlich parfümiert, sondern einfach nur deshalb, weil
jedes Blatt Papier aus Margie Tallworths Besitz parfümiert war; wenn sie
darüber nachgedacht hätte, wäre ihr klargeworden, dass Parfüm nicht zu einer
solchen Mitteilung passte, aber das gehörte auch zu den Dingen, in denen sie
ahnungslos war. Selbst ihre Seminararbeiten waren parfümiert; als Helen Margies
erste Arbeit für Vergl. Lit. 205 gelesen hatte, war sie bei dem Duft zusammengezuckt.
Margies Mitteilung an Garp hatte
folgenden Wortlaut:
Ihre Frau »hat etwas« mit Michael Milton.
Margie Tallworth sollte
später zu den Menschen gehören, die sagten, jemand sei »dahingegangen«, statt
gestorben. Sie wollte mit der Formulierung, Helen »hat etwas« mit Michael
Milton,
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