Garp und wie er die Welt sah
»Wir
haben noch mehr als genug Zeit, ihnen die Eier abzuschneiden.«
Arden Bensenhaver ließ den
Piloten die Nachricht durchgeben, dass der Entführer Oren Rath hieß und dass er
einen schwarzen, keinen türkisgrünen Lieferwagen fuhr. Diese Nachricht passte
auf interessante Weise zu einer anderen: ein Streifenpolizist hatte eine
Meldung bekommen, nach der ein Mann, der allein in einem schwarzen Lieferwagen
saß, gemeingefährlich gefahren und immer wieder von der richtigen Fahrbahn
abgekommen sei. Er habe so ausgesehen, »als wäre er betrunken oder high oder
so«. Der Streifenpolizist war der Sache nicht nachgegangen, weil er dachte, er
solle mehr auf einen türkisgrünen Lieferwagen achten.
Arden Bensenhaver konnte natürlich nicht wissen, dass der Mann in dem schwarzen
Lieferwagen in Wirklichkeit nicht allein gewesen war – dass Hope Standish in
Wirklichkeit mit dem Kopf auf seinem Schoß gelegen hatte. Die Nachricht
bewirkte nur, dass Bensenhaver erneut fröstelte. Wenn Rath allein war, hatte er
bereits etwas mit der Frau gemacht. Bensenhaver schrie dem Deputy zu, er solle
sofort zum Hubschrauber zurückkommen – dass sie einen schwarzen Lieferwagen
suchten, der zuletzt auf der [588] Umgehungsstraße gesehen worden war, die das
Landstraßennetz bei der Ortschaft Sweet Wells schneidet.
»Kennen Sie die?«, fragte
Bensenhaver.
»O ja«, sagte der Deputy.
Sie waren wieder in der Luft, und
die Schweine unter ihnen waren erneut in Panik geraten. Das arme vollgepumpte
Schwein, auf das zwei Männer gefallen waren, lag so regungslos da wie bei ihrer
Ankunft. Aber die Brüder Rath prügelten sich – allem Anschein nach ziemlich
heftig –, und je höher und weiter sich der Hubschrauber von ihnen entfernte,
umso mehr kehrte ein gewisses Maß an gesundem Menschenverstand in die Welt
zurück, was Arden Bensenhaver sehr begrüßte. Bis die winzigen prügelnden Gestalten
unten im Osten nur noch Miniaturen für ihn waren und Bensenhaver ihr Blut und
ihre Angst so weit hinter sich gelassen hatte, dass er sein trockenes
Toledo-Lachen lachte, als der Deputy sagte, er glaube, Raspberry könne seinen
Bruder Weldon auspeitschen, wenn ihm nur nicht immer gleich das Herz in die
Hose rutsche.
»Sie sind Tiere «, sagte er zu dem Deputy, der bei aller jugendlichen Grausamkeit
und allem Zynismus etwas entsetzt schien.
»Und wenn sie sich gegenseitig
umbrächten!«, sagte Bensenhaver. »Stellen Sie sich nur mal das viele Essen vor,
das sie sonst bis zu ihrem Tod gegessen hätten und das nun andere menschliche
Wesen essen könnten.« Der Deputy begriff, dass Bensenhavers Lüge über das neue
Gesetz – über die Sofortkastration bei Sexualverbrechen – mehr als eine
hergeholte Geschichte war: Für Bensenhaver war es, obwohl er wusste, dass es
natürlich nicht Gesetz war, [589] eindeutig das ideale
Gesetz. Es war eine von Arden Bensenhavers Toledo-Methoden.
»Die arme Frau«, sagte
Bensenhaver; seine Hände hielten die Teile ihres Büstenhalters umklammert. »Wie
alt ist dieser Oren ?«, fragte er den Deputy.
»Sechzehn, vielleicht siebzehn«,
sagte der Deputy. »Ein Kind.« Der Deputy war schon mindestens vierundzwanzig.
»Wenn er alt genug ist, um einen
Ständer zu bekommen«, sagte Arden Bensenhaver, »ist er auch alt genug, dass man
ihn abschneiden kann.«
Aber was soll ich schneiden? Oh, wo kann ich ihn schneiden?,
fragte sich Hope – das lange, schmale Fischermesser lag jetzt gut in ihrer
Hand. Ihr Puls pochte in ihrem Handteller, aber Hope kam es so vor, als hätte
das Messer selbst ein Herz, das klopfte. Sie hob die Hand sehr langsam an die
Hüfte, über den Rand der wippenden Sitzbank, wo sie die Klinge sehen konnte.
Soll ich die Sägekante nehmen oder die, die so scharf aussieht?, überlegte sie.
Wie tötet man einen Menschen mit so einem Messer? Neben dem schwitzenden
Hintern von Oren Rath war das Messer in ihrer Hand ein kühles, fernes Wunder.
Soll ich ihn schneiden oder stechen? Sie wünschte, sie wüsste es. Seine beiden heißen
Hände waren unter ihren Gesäßbacken, hoben sie ruckartig hoch. Sein Kinn grub
sich wie ein schwerer Stein in die Höhlung an ihrem Schlüsselbein. Dann fühlte
sie, wie er eine Hand unter ihr fortzog, und seine Finger, die nach dem Boden
griffen, streiften ihre Hand, die das Messer hielt.
»Bewegen!«, grunzte er. »Beweg
dich jetzt.« Sie [590] versuchte, den Rücken hochzuwölben, aber sie konnte es
nicht. Sie fühlte, wie er seinen besonderen Rhythmus suchte, sich
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