Garp und wie er die Welt sah
Sinkflug des Hubschraubers nicht
bewegt, und sie wirkten im Sonnenlicht so nackt und jeder Farbe entleert, dass
Bensenhaver sicher war, es seien tote Füße. Dass Oren
Rath tot sein könnte, kam dem Deputy oder Bensenhaver gar nicht in den Sinn.
Aber sie sahen keinen Grund,
warum Rath den Wagen stehengelassen haben sollte, nachdem er seine schmutzigen
Taten vollbracht hatte, und deshalb hatte Bensenhaver dem Piloten gesagt, er
solle den Hubschrauber unmittelbar über dem Lieferwagen in der Luft halten. »Wenn
er noch mit ihr drin ist«, sagte Bensenhaver zu dem Deputy, »können wir dem
Schuft vielleicht einen Schrecken einjagen.«
Als Hope Standish die steifen
Füße streifte und sich seitwärts an den Wagen drückte, bemüht, ihre Augen vor
dem fliegenden Sand zu schützen, merkte Arden Bensenhaver, [596] wie sein Finger
am Megaphonhebel schlaff wurde. Hope versuchte, ihr Gesicht in das flatternde
Kleid zu hüllen, aber es schlug um sie herum wie ein zerrissenes Segel; sie
tastete sich an dem Wagen entlang zur Ladeklappe und duckte sich vor den
stechenden Schottersteinchen, die an den Stellen ihres Körpers, wo das Blut
noch nicht ganz getrocknet war, haftenblieben.
»Es ist die Frau«, sagte der
Deputy.
»Höher!«, befahl Bensenhaver dem
Piloten.
»Jesus, was ist ihr passiert?«,
fragte der Deputy erschrocken. Bensenhaver drückte ihm unsanft das Megaphon in
die Hand.
» Weg hier«, sagte er zu dem Piloten. »Setzen Sie das Ding auf der anderen Seite der
Straße ins Gras.«
Hope fühlte, wie der Wind die
Richtung änderte, und der Lärm im Rüssel des Tornados schien über sie
hinwegzustreichen. Sie kniete sich am Straßenrand hin. Ihr wild gewordenes
Kleid beruhigte sich in ihren Händen. Sie hielt es sich an den Mund, weil der
Staub sie erstickte.
Ein Auto näherte sich, aber Hope
merkte es nicht. Der Fahrer fuhr auf der richtigen Spur – der schwarze
Lieferwagen stand rechts von ihm an der Straße, der Hubschrauber landete links
von ihm an der Straße. Die blutige, betende Frau, nackt und mit Schotter
bedeckt, beachtete ihn nicht, als er an ihr vorbeifuhr. Der Fahrer meinte,
einen Engel nach der Rückkehr aus der Hölle zu sehen. Die Reaktion des
Autofahrers kam so verspätet, dass er alles, was er
vorher gesehen hatte, schon hundert Meter hinter sich hatte, ehe er
überraschend versuchte, auf der Straße zu wenden. Ohne Gas wegzunehmen. Seine
Vorderräder gerieten auf [597] die weiche Böschung und ließen ihn über den
Straßengraben in die weiche Frühlingserde eines gepflügten Bohnenfeldes
schlittern, wo sein Auto bis zur Stoßstange einsank, so dass er die Tür nicht
mehr öffnen konnte. Er kurbelte sein Fenster herunter und spähte über den
Schlamm hinweg zur Straße – wie ein Mann, der friedlich auf einem Anleger
gesessen hatte, als sich der Anleger vom Ufer löste, so dass er nun ins Meer
hinaustrieb.
»Hilfe!«, rief er. Der Anblick
der Frau hatte ihn so entsetzt, dass er fürchtete, es könnten noch mehr wie sie
in der Nähe sein, oder der, der sie so zugerichtet hatte, könnte sich ein neues
Opfer suchen.
»Gütiger Himmel«, sagte Arden
Bensenhaver zu dem Piloten, »Sie werden nachsehen müssen, ob bei dem Idioten
etwas nicht stimmt. Warum lässt man auch jeden ans Steuer?« Bensenhaver und der
Deputy sprangen aus dem Hubschrauber auf den gleichen Matschboden, der den
Fahrer erwischt hatte. »Verdammte Scheiße«, sagte Bensenhaver.
»Scheiße«, sagte der Deputy.
Auf der anderen Straßenseite
blickte Hope Standish zum ersten Mal zu ihnen auf. Zwei fluchende Männer kamen
aus einem morastigen Feld auf sie zugestapft. Die Rotorblätter des
Hubschraubers wurden langsamer. Sie sah auch einen Mann, der dümmlich aus dem
Fenster seines Wagens glotzte, aber das schien weit weg zu sein. Hope stieg in
ihr Kleid. Ein Armloch, wo ein Ärmel gewesen war, war aufgerissen, und Hope
musste sich mit dem Ellbogen eine Stoffecke an die Seite drücken oder ihre
Brust entblößt lassen. Erst jetzt bemerkte sie, wie wund ihre Schultern und ihr
Hals waren.
[598] Arden Bensenhaver stand
plötzlich außer Atem und bis zu den Knien mit Schlamm bedeckt vor ihr. Der
Schlamm bewirkte, dass seine Hose an seinen Beinen klebte, so dass er für Hope
wie ein alter Mann in Knickerbockern aussah. »Mrs. Standish?«, fragte er. Sie
drehte ihm den Rücken zu, um ihr Gesicht zu verbergen, und nickte. »So viel
Blut«, sagte er hilflos. »Es tut mir leid, dass wir so lange gebraucht haben.
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