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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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nicht, wo du diese idiotische Perücke und diese dicken Titten herhast,
aber ich würde dich überall erkennen. Du hast dich kein bisschen geändert, seit
du meine Schwester gefickt hast – zu Tode gefickt
hast«, sagte die junge Frau. Da wusste Garp, wer seine Feindin war: die Letzte
und Jüngste der Percy-Sippe. Bainbridge! Die kleine Pu Percy, die noch in der
Grundschule Windeln getragen hatte und nach allem, was Garp wusste, womöglich
immer noch nicht aus ihnen raus war.
    Garp sah sie an; Garp hatte
größere Titten als sie. Pu war völlig unerotisch gekleidet, trug einen
typischen Unisex-Haarschnitt, und ihre Gesichtszüge waren weder fein noch grob.
Sie trug ein Hemd der US -Army mit [690]  Sergeantenstreifen und
mit einem Wahlkampf-Button für die Frau, die sich Hoffnungen auf den
Gouverneursposten des Bundesstaates New Hampshire gemacht hatte. Mit Schrecken
wurde Garp bewusst, dass die Gouverneurskandidatin Sally Devlin war. Er fragte
sich, ob sie gewonnen hatte!
    »Hallo, Pu«, sagte Garp und sah,
wie sie zusammenzuckte – offensichtlich ein Kosename, den sie hasste und ein für allemal abgelegt hatte. »Bainbridge«,
murmelte Garp, aber es war zu spät, um Freundschaft zu schließen. Es war Jahre zu spät. Es war zu spät seit jener Nacht, in der
Garp Bonkers’ Ohr abgebissen und Cushie in der Krankenstation der Steering
School geschändet, aber nie richtig geliebt hatte und weder zu ihrer Hochzeit
noch zu ihrer Beerdigung gekommen war.
    Weshalb auch immer sie Garp
grollte, oder Männer im Allgemeinen verabscheute, Pu Percy hatte ihren Feind in der Gewalt – endlich.
    Robertas große, warme Hand war an
Garps Kreuz, und ihre volle Stimme drängte ihn: »Los, raus hier, schnell, sag
nichts.«
    »Es ist ein Mann hier!«, kreischte Bainbridge Percy in die trauernde Stille des
Auditoriums der Schwesternschule. Das entlockte sogar der verstörten
Ellen-Jamesianerin auf der Bühne einen leisen Ton – vielleicht ein Grunzen. »Es
ist ein Mann hier!«, kreischte Pu. »Und es ist T.S. Garp. Garp ist hier!«, schrie sie.
    Roberta versuchte, ihn zum Gang
zu führen. Ein Linksaußen muss in erster Linie gut durchkommen und zweitens
Pässe weitergeben, doch selbst der ehemalige Robert Muldoon konnte all diese
Frauen nicht so recht austricksen.
    [691]  »Bitte«, sagte Roberta. »Bitte
lassen Sie uns durch. Sie war seine Mutter – das
müssen Sie doch wissen. Ihr einziges Kind.«
    Meine einzige Mutter !, dachte Garp und drängte sich an Robertas Rücken; er fühlte, wie
Pu Percys nadelspitze Klauen durch sein Gesicht harkten. Sie riss ihm die
Perücke vom Kopf; er riss sie zurück und drückte sie an seinen großen Busen,
als ob er sie unbedingt behalten wollte.
    »Er hat meine Schwester zu Tode
gefickt!«, jammerte Pu Percy. Wie sich diese fixe
Idee in ihr festgesetzt hatte, sollte Garp nie erfahren – aber festgesetzt
hatte sie sich zweifellos. Sie kletterte über den Sitz, den er soeben geräumt
hatte, und verfolgte ihn und Roberta – die endlich durchkam und den Gang
erreichte.
    »Sie war meine Mutter«, sagte
Garp zu einer Frau, an der er vorbeiging, einer Frau, die selbst wie eine
potentielle Mutter aussah. Sie war schwanger. In dem bitterbösen Gesicht der
Frau las Garp auch Vernunft und Freundlichkeit; außerdem las er Verkniffenheit
und Verachtung.
    »Lasst ihn vorbei«, murmelte die
schwangere Frau, aber ohne große Überzeugung.
    Andere schienen mitfühlender zu
sein. Eine rief, er habe ein Recht hier zu sein – aber man schrie auch andere
Dinge, so ganz ohne jegliches Mitgefühl.
    Weiter oben im Gang spürte er,
wie seine Attrappen geboxt wurden; er streckte die Hand nach Roberta aus und
merkte, dass Roberta (wie man beim Football sagt) nicht mehr im Spiel war. Sie
war zu Boden gegangen. Etliche junge Frauen in marineblauen Blazern schienen
auf ihr zu sitzen. Garp fiel ein, sie dächten vielleicht, Roberta wäre [692]  ebenfalls ein Mann im Fummel; wenn sie entdeckten, dass
Roberta echt war, konnte es schmerzhaft werden.
    »Hau ab, Garp!«, rief Roberta.
    »Ja, lauf, du kleiner Wichser!«, zischte eine Frau in einem Blazer.
    Er lief.
    Er hatte die defilierenden Frauen
hinten im Saal fast erreicht, als ein Schlag dort landete, wo er landen sollte.
Er war seit seinem Ringertraining – vor vielen Jahren – nicht mehr in die Eier
getroffen worden und wurde sich bewusst, dass er die daraus resultierende
totale Kampfunfähigkeit vergessen hatte. Er hielt sich die Hände vor den
Schritt und lag mit

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