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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sich, von Berufs wegen mit allerlei
Verschrobenheiten vertraut, weder über Garps Stimme noch über sein Äußeres zu
wundern.
    »Ich war im Ausland«, sagte Garp.
    »Sie haben nichts versäumt,
Schätzchen«, erklärte ihm der Taxifahrer. »Das Weibsstück ist aus den Latschen
gekippt.«
    »Sally Devlin?«, sagte Garp.
    »Sie ist ausgeflippt, direkt vor
der Fernsehkamera«, sagte der Taxifahrer. »Sie war so fertig wegen dem Mord,
sie hatte sich nicht unter Kontrolle. Sie wollte eine Rede halten, hat es aber
nicht bis ans Ende geschafft, verstehen Sie? Sie kam mir vor wie eine saudumme
Kuh«, sagte der Taxifahrer. »Wie soll so eine Gouverneurin sein, die sich
einfach nicht im Griff hat?«
    Und vor Garp zeichnete sich die
Ursache für die Niederlage der Frau ab. Vielleicht hatte der hinterhältige
gegenwärtige Amtsinhaber angemerkt, dass Mrs. Devlins Unfähigkeit, ihre
Emotionen zu beherrschen, »typisch Frau« sei. Blamiert durch die
Zurschaustellung ihrer Gefühle für Jenny Fields, wurde Sally Devlin als inkompetent
für sämtliche dubiosen Tätigkeitsbereiche des Gouverneursamtes befunden.
    Garp schämte sich. Er schämte
sich für andere.
    [696]  »Meiner Meinung nach«, sagte
der Taxifahrer, »war diese Schießerei irgendwie nötig, damit die Leute merkten,
dass die Frau nicht mit dem Job fertig werden würde, verstehen Sie?«
    »Halten Sie den Mund, und fahren
Sie«, sagte Garp.
    »Hör mal, Schätzchen«, sagte der
Taxifahrer. »Ich hab’s nicht nötig, mich beschimpfen zu lassen.«
    »Sie sind ein Arschloch und ein
Idiot«, setzte Garp ihm auseinander, »und wenn Sie mich jetzt nicht sofort ohne
ein Wort zum Flughafen bringen, sage ich einem Bullen, Sie hätten versucht,
mich anzugrapschen.«
    Der Taxifahrer trat das Gaspedal
durch und fuhr eine Weile in wütendem Schweigen und in der Hoffnung, sein
schneller, rücksichtsloser Fahrstil würde dem Fahrgast Angst machen.
    »Wenn Sie nicht sofort langsamer
fahren«, sagte Garp, »sage ich einem Bullen, Sie hätten versucht, mich zuvergewaltigen . «
    »Verdammte Tunte«, sagte der
Taxifahrer, aber er fuhr langsamer, und er fuhr ohne ein weiteres Wort zum
Flughafen. Garp packte das Trinkgeld auf die Motorhaube des Taxis, und eine der
Münzen rollte in den Spalt zwischen Motorhaube und Kotflügel. »Verdammte Weiber «, sagte der Taxifahrer.
    »Verdammte Kerle «, sagte Garp und hatte – mit gemischten Gefühlen – das Gefühl, das
Seine getan zu haben, um den Krieg der Geschlechter in Gang zu halten.
    Auf dem Flughafen stellte man
Garps American-Express-Karte in Frage und bat ihn, sich zusätzlich auszuweisen.
Man fragte ihn natürlich nach den Initialen T.S. Die [697]  Frau am Schalter
trennten offenbar Welten von dem Gebiet der Literatur – nicht zu wissen, wer
T.S. Garp war!
    Er erklärte der Frau am Schalter,
T. stünde für Tillie und S. für Sarah.
    »Tillie Sarah Garp?«, sagte die Frau
am Schalter. Sie war eine junge Frau und missbilligte Garps sonderbar
faszinierenden, aber nuttenhaften Aufzug offensichtlich. »Nichts aufzugeben und
kein Handgepäck?«, wurde Garp gefragt.
    »Nein, nichts«, sagte er.
    »Haben Sie einen Mantel?«, fragte
ihn die Stewardess, ebenfalls mit abschätzigem Blick.
    »Nein«, sagte Garp. Bei der Tiefe
seiner Stimme zuckte die Stewardess zusammen. »Kein Gepäck und nichts
aufzuhängen«, sagte er lächelnd. Er hatte das Gefühl, nichts als Brüste zu haben – diesen
gewaltigen Vorbau, den Roberta ihm verpasst hatte –, und ging gebeugt und mit
hochgezogenen Schultern, damit sie nicht so vorstanden. Aber es half alles
nichts, sie standen nun mal vor.
    Sobald er sich für einen Sitz
entschieden hatte, entschied sich ein Mann für den Sitz neben ihm. Garp sah aus
dem Fenster. Immer noch kamen Passagiere zum Flugzeug geeilt. Unter ihnen sah
er ein schmuddeliges blondes Mädchen, das einer Erscheinung glich. Sie hatte
ebenfalls keinen Mantel und kein Handgepäck. Nur jene überdimensionale Handtasche – groß genug für eine Bombe. Garp spürte deutlich den Sog – ein Ziehen an
seiner Hüfte. Er schaute zum Gang, um sehen zu können, welchen Sitz das Mädchen
wählte, blickte aber in das lauernde Gesicht des Mannes, der den Nebensitz am
Gang genommen hatte.
    »Wenn wir erst mal oben sind«,
sagte der Mann mit [698]  wissendem Blick, »kann ich Ihnen dann einen kleinen Drink
spendieren?« Seine kleinen, eng beieinanderstehenden Augen hingen an dem
schiefen Reißverschluss von Garps prall gefülltem türkisgrünen

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