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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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rotgesichtig – das älteste Kind der Percys und der
einzige noch lebende Sohn. Er hatte irgendetwas mit Aluminium in Pittsburgh zu
tun. Stewie Zwei hatte Garp nicht mehr gesehen, seit Garp fünf war; nichts an
ihm ließ [714]  darauf schließen, dass er Garp erkannte. Midge schien überhaupt niemanden mehr zu erkennen. Runzlig und weiß,
mit Pigmentflecken im Gesicht, die in Form und Größe an ungeschälte Erdnüsse
erinnerten, saß sie auf der Bank und ruckte mit dem Kopf wie ein Huhn, das sich
nicht recht entscheiden kann, wonach es als Nächstes picken soll.
    Garp sah auf einen Blick, dass
der Sarg von Stewie Zwei, dem Leichenwagenfahrer und ihm selbst getragen werden
musste. Er bezweifelte, dass sie es schaffen würden. Wie furchtbar, so
ungeliebt zu sein, dachte er mit einem Blick auf das graue Schiff, das Stewart
Percys Sarg war – zum Glück geschlossen.
    »Verzeihung, junger Mann«,
flüsterte Midge Garp zu; ihre behandschuhte Hand ruhte so leicht auf Garps Arm
wie ein Wellensittich der Familie Percy. »Ich weiß Ihren Namen leider nicht mehr«, sagte sie, leutselig bis zur Senilität.
    »Hm«, machte Garp. Und irgendwo
zwischen den Namen »Smith« und »Jones« stolperte Garp über ein Wort, das ihm
entfuhr. »Smoans«, sagte er zur Überraschung nicht nur von Midge, sondern auch
sich selber. Stewie Zwei schien nichts davon mitzubekommen.
    »Mr. Smoans?«, sagte Midge.
    »Ja, Smoans«, sagte Garp.
»Smoans, Examensklasse 1961. Ich hatte Mr. Percy in Geschichte.« Mein Teil vom
Pazifik.
    »Ach ja, Mr. Smoans! Wie
aufmerksam, dass Sie gekommen sind«, sagte Midge.
    »Es hat mir so leidgetan, das zu
hören«, sagte Mr. Smoans.
    »Ja, es hat uns allen leidgetan«, sagte Midge mit einem [715]  vorsichtigen Blick
in die halbleere Kapelle. Irgendein Zucken ließ ihr ganzes Gesicht erbeben, und
die schlaffe Haut auf ihren Wangen machte ein leise klatschendes Geräusch.
    »Mutter«, warnte Stewie Zwei sie.
    »Ja, ja, Stewart«, sagte sie. Und
zu Mr. Smoans gewandt: »Es ist jammerschade, dass nicht alle unsere Kinder an
diesem Tag hier sein können.«
    Garp wusste natürlich, dass
Dopeys strapaziertes Herz bereits versagt hatte, dass William einem Krieg und
Cushie der Fortpflanzung zum Opfer gefallen war. Garp glaubte, irgendwie zu
wissen, wo die arme Pu war. Zu seiner Erleichterung saß Bainbridge Percy nicht auf der Familienbank.
    Dort auf der Bank der restlichen
Percys musste Garp an einen lange vergangenen Tag denken.
    »Wohin kommen wir eigentlich,
wenn wir tot sind?«, hatte Cushie Percy ihre Mutter einmal gefragt. Fat Stew
hatte rülpsend die Küche verlassen. Alle Kinder der Percys waren versammelt
gewesen: William, auf den ein Krieg wartete; Dopey, dessen Herz Fett
speicherte; Cushie, die keine Kinder gebären konnte, deren Eileiter verkleben
sollten; Stewie Zwei, der in Aluminium machen sollte. Und Gott allein wusste,
was mit Pu passiert war. Der kleine Garp war auch da – in der großzügigen Küche
im Countrystil des großen vornehmen Hauses der Steerings.
    »Also, wenn wir tot sind«,
erklärte Midge Steering-Percy den Kindern – den kleinen Garp eingeschlossen –,
»kommen wir alle in ein großes Haus, so ungefähr wie
das hier.«
    »Nur größer «,
sagte Stewie Zwei mit Nachdruck.
    »Hoffentlich«, sagte William
besorgt.
    [716]  Dopey bekam nicht mit, was
gemeint war. Pu war nicht groß genug zum Reden. Cushie sagte, sie glaube es
nicht – nur Gott weiß, wohin sie kam.
    Garp dachte an das große vornehme
Haus der Steerings – das jetzt zum Verkauf stand. Ihm wurde bewusst, dass er es
kaufen wollte.
    »Mr. Smoans?« Midge stupste ihn
an.
    »Hm«, machte Garp.
    »Der Sarg, Kumpel«, flüsterte der
Leichenwagenfahrer. Stewie Zwei, der sich jetzt neben ihm breitmachte, blickte
ernsthaft auf den gewaltigen Sarg, der die Überreste seines Vaters barg.
    »Wir brauchen vier«, sagte der
Fahrer. »Mindestens vier.«
    »Nein, ich werde allein mit einer
Seite fertig«, sagte Garp.
    »Mr. Smoans sieht sehr stark
aus«, sagte Midge. »Nicht sehr groß, aber stark.«
    »Mutter«, sagte Stewie Zwei.
    »Ja, ja, Stewart«, sagte sie.
    »Wir brauchen vier. Anders geht
es nicht«, sagte der Fahrer.
    Garp glaubte ihm nicht. Er konnte ihn heben.
    »Ihr beide nehmt die andere
Seite«, sagte er, »und ab geht die Post.«
    Ein schwächliches Gemurmel drang
an seine Ohren. Es kam von den Trauergästen, denen es grauste wegen des
anscheinend unbeweglichen Sargs. Aber Garp glaubte an sich. Dort drinnen lag
nur der

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