Garp und wie er die Welt sah
der
Mietwagenmensch. Eine der Attrappen Garps rutschte zur Seite, und der
Mietwagenmensch schien zu befürchten, sein ganzes türkisgrünes Gewand könnte
auseinanderfallen.
Während der Autofahrt nach Norden
schlief Ellen James wie ein Kätzchen im Fond zusammengerollt. Im Rückspiegel
stellte Garp fest, dass ihr Knie aufgeschrammt war und dass das Mädchen im
Schlaf am Daumen lutschte.
Es war also doch eine angemessene
Beerdigung für Jenny Fields gewesen; eine grundlegende Botschaft war von der
Mutter auf den Sohn gekommen. Da saß er nun und spielte Krankenschwester für
jemanden. Noch grundlegender war, dass Garp endlich begriff, worin das Talent
seiner Mutter bestanden hatte; sie hatte den richtigen Instinkt – Jenny Fields machte immer das Richtige. Eines Tages,
hoffte Garp, würde er die Verbindung zwischen dieser Lektion und seinem
Schreiben sehen, aber das war ein persönliches Ziel – es würde, wie andere
Ziele, ein bisschen Zeit kosten. Wichtig war, dass T.S. Garp auf der Autofahrt
nach Steering, mit der wirklichen Ellen James, beschloss, er wolle versuchen,
mehr so zu sein wie seine Mutter, Jenny Fields.
Ihm fiel auf, dass dieser Vorsatz
seiner Mutter ausgesprochen gefallen hätte, wenn er ihn nur gefasst hätte,
solange sie noch lebte.
»Der Tod«, schrieb Garp,
»wartet offenbar nicht gern, bis wir für ihn bereit sind. Der Tod ist großzügig
und hat einen Hang zum Dramatischen, den er auskosten möchte.«
[706] So betrat Garp mit offenem
Visier und – zumindest seit seiner Ankunft in Boston – ohne sein Gefühl für den
Sog das Haus von Ernie Holm, seinem Schwiegervater, mit der schlafenden Ellen
James auf den Armen. Sie mochte neunzehn sein, war aber leichter zu tragen als
Duncan.
Garp war nicht auf das graue
Gesicht von Rektor Bodger vorbereitet, der allein in Ernies schummrigem
Wohnzimmer saß und fernsah. Der alte Rektor, der kurz vor dem Ruhestand war,
schien zu akzeptieren, dass Garp wie eine Hure gekleidet war, starrte aber die
schlafende Ellen James entsetzt an.
»Ist sie…«
»Sie schläft«, sagte Garp. »Wo
sind die anderen?« Und während er diese Frage stellte, hörte Garp den kalten
Strudel des Sogs unter den Dielen des schweigenden Hauses.
»Ich habe versucht, Sie zu
erreichen«, erklärte Rektor Bodger ihm. »Ernie…«
»Sein Herz«, riet Garp.
»Ja«, sagte Bodger. »Sie haben
Helen etwas gegeben, damit sie schläft. Sie ist oben. Und ich dachte, ich
bleibe besser hier, bis Sie kommen – Sie wissen schon: Damit die Kinder sie
nicht stören, falls sie aufwachen und etwas brauchen. Es tut mir leid, Garp. Die
Dinge kommen manchmal alle zusammen, oder es kommt einem wenigstens so vor.«
Garp wusste, wie sehr auch Bodger
seine Mutter gemocht hatte. Er legte die schlafende Ellen James auf das
Wohnzimmersofa und stellte den matten Fernseher ab, der das Gesicht des Mädchens
bläulich färbte.
»Im Schlaf?«, fragte Garp Bodger
und zog sich die Perücke vom Kopf. »Haben Sie Ernie hier gefunden?«
[707] Jetzt wurde der arme Rektor
nervös. »Er war oben im Bett«, sagte Bodger. »Ich habe die Treppe
hinaufgerufen, aber ich wusste, dass ich hingehen musste, um ihn zu finden. Ich
habe ihn ein bisschen hergerichtet, ehe ich jemanden anrief.«
»Hergerichtet?«, sagte Garp. Er
zog den Reißverschluss des schrecklichen türkisgrünen Damenoveralls auf und
riss sich die Brüste vom Leib. Der alte Rektor dachte vielleicht, dies sei eine
normale Reiseverkleidung des mittlerweile berühmten Schriftstellers.
»Erzählen Sie es Helen bitte
nie«, sagte Bodger.
»Was denn?«, fragte Garp.
Bodger zog die Zeitschrift hervor – unter seiner ausgebeulten Weste. Es war die Nummer von Scharfe Schnappschüsse, in der das erste Kapitel von Bensenhaver und wie er die Welt sah erschienen war. Das Heft sah
zerfleddert und abgenutzt aus.
»Ernie hatte es angeschaut, Sie
verstehen schon«, sagte Bodger. »Als sein Herz stehenblieb.«
Garp nahm die Zeitschrift von
Bodger und stellte sich die Sterbeszene vor. Ernie Holm hatte gerade zu den
Nahaufnahmen von gespreizten Schenkeln masturbiert, als sein Herz streikte. In
Garps Zeit in Steering hatte man sich oft den Witz erzählt, dies sei die beste
Art »abzutreten«. Ernie war also auf diese Art abgetreten, und der gute Bodger
hatte die Hose des Trainers hochgezogen und das Magazin vor der Tochter des
Trainers versteckt.
»Ich musste es dem Arzt sagen,
der die Todesursache feststellte, Sie verstehen schon«, sagte Bodger.
Ein schlimmer
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