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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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hell genug
waren, schenkten Malerinnen Licht und Ruhe. Sobald sich unter den Frauen
herumsprach, dass es eine Fields Foundation gab, fragten viele Frauen sich, wer
hilfsberechtigt sei. Garp fragte es sich auch. Alle Bewerberinnen schrieben an
Roberta, und die versammelte einen kleinen Stab von Frauen um sich, die Garp
abwechselnd schätzten und ablehnten – sich jedenfalls aber immer mit ihm
stritten. Zweimal im Monat kamen Roberta und ihr Beirat in Anwesenheit eines
verdrossenen Garp zusammen und trafen die Auswahl.
    Bei gutem Wetter saßen sie in dem
duftenden Wintergarten des Anwesens von Dog’s Head Harbor, obwohl Garp sich
immer öfter weigerte, dorthin zu fahren. »All diese überkandidelten Weiber im
Haus«, erklärte Garp Roberta. »Sie erinnern mich an früher.« Also tagten sie in
Steering, im alten Steering’schen Herrenhaus, dem Wohnsitz des Ringertrainers,
wo Garp sich in der Gesellschaft dieser kämpferischen Frauen etwas wohler
fühlte.
    Er hätte sich zweifellos noch wohler gefühlt, wenn sie im Ringerraum getagt hätten.
Obwohl der ehemalige Robert Muldoon, das wusste Garp, ihn selbst dort gezwungen
hätte, für jedes einzelne seiner Argumente zu kämpfen.
    Bewerber Nr. 1048 hieß
Charlie Pulaski.
    »Ich dachte, es müssten Frauen sein«, sagte Garp. »Ich dachte, es gäbe wenigstens ein festes Kriterium.«
    »Charlie Pulaski ist eine Frau«, informierte ihn Roberta. »Sie wurde
einfach nur immer Charlie genannt.«
    »Ich würde sagen, das genügt, um
sie zu [730]  disqualifizieren«, sagte jemand. Es war Marcia Fox – eine schlanke,
ranke Lyrikerin, mit der Garp oft die Klingen kreuzte, obwohl er ihre Gedichte
bewunderte. Er hätte sich nie so sparsam ausdrücken können.
    »Was will Charlie Pulaski?«, fragte Garp rein mechanisch. Manche Bewerberinnen wollten
nur Geld; andere wollten eine Weile in Dog’s Head Harbor wohnen. Wieder andere
wollten eine Menge Geld und ein Zimmer in Dog’s Head
Harbor – auf Lebenszeit.
    »Sie will nur Geld«, sagte
Roberta.
    »Um ihren Namen zu ändern?«,
fragte Marcia Fox.
    »Sie möchte ihre Stellung
kündigen und ein Buch schreiben«, sagte Roberta.
    »O Mann«, sagte Garp.
    »Schreib ihr, sie soll ihre
Stellung behalten«, sagte Marcia Fox; sie gehörte zu den Schreiberlingen, die
etwas gegen andere Schreiberlinge und Möchtegern-Schreiberlinge haben.
    »Marcia hat sogar etwas gegen tote Kollegen«, sagte Roberta zu Garp.
    Aber Marcia und Garp lasen beide
ein Manuskript, das Ms. Charlie Pulaski eingesandt hatte, und stimmten darin
überein, dass sie sich an jede Stellung, die sie haben konnte, klammern sollte.
    Bewerberin Nr. 1073, eine
außerplanmäßige Professorin der Mikrobiologie, wollte ihre Stellung nur
vorübergehend aufgeben, ebenfalls, um ein Buch zu schreiben.
    »Einen Roman?«, fragte Garp.
    »Untersuchungen in
Molekularvirologie«, sagte Dr. Joan [731]  Axe; sie hatte sich von der Duke
University freistellen lassen, um an einem eigenen Forschungsvorhaben zu
arbeiten. Als Garp sie fragte, worum es gehe, erklärte sie ihm geheimnisvoll,
dass sie sich für »anerkannte Beeinträchtigungen der Blutbahn« interessiere.
    Bewerberin Nr. 1081 war die
Witwe eines nichtversicherten Mannes, der bei einem Flugzeugabsturz ums Leben
gekommen war. Sie hatte drei Kinder unter fünf Jahren und brauchte nur noch
vier Seminare, um ihren Master in Französisch zu machen. Sie wollte wieder aufs
College, ihren Abschluss machen und sich anschließend eine ordentliche Stelle
suchen; dafür wollte sie Geld haben – und ausreichend Zimmer für ihre Kinder
und eine Babysitterin in Dog’s Head Harbor.
    Der Beirat beschloss einstimmig,
der Frau genügend Geld zu bewilligen, damit sie ihren Master machen und eine
feste Babysitterin bezahlen konnte; aber die Kinder, die Babysitterin und die Frau würden dort wohnen müssen, wo die Frau ihr
Studium abzuschließen gedachte. Dog’s Head Harbor war nicht für Kinder und Babysitterinnen bestimmt. Es gab dort Frauen, die schon beim
Anblick oder Geräusch eines einzigen Kindes durchdrehten. Und Frauen, die von
Babysitterinnen ins Unglück gestürzt worden waren.
    Das war keine schwere
Entscheidung.
    Nr. 1088 bereitete da schon
mehr Kopfzerbrechen. Sie war die geschiedene Frau des Mannes, der Jenny Fields
umgebracht hatte. Sie hatte drei Kinder, von denen eines in einer [732]  Erziehungsanstalt
für Kinder unter zehn war, und die Unterhaltszahlungen für ihre Kinder hatten aufgehört,
als ihr Mann, Jennys Mörder, im

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