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Garp und wie er die Welt sah

Garp und wie er die Welt sah

Titel: Garp und wie er die Welt sah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Buch war – oder wie sehr es
dazu gemacht wurde.
    »Ich bin als Krankenschwester
ausgebildet worden«, sagte sie einmal treuherzig zu einem ihrer Interviewer.
»Ich wollte von Anfang an Krankenschwester werden und bin es dann auch
geworden. Es schien mir einfach naheliegend für jemanden, der so gesund ist wie
ich, anderen Menschen zu helfen, die nicht gesund sind oder nicht allein für
sich sorgen können. Und aus dem gleichen naheliegenden Grund wollte ich dann
auch ein Buch schreiben.«
    [262]  Nach Garps Meinung hörte seine
Mutter nie auf, Krankenschwester zu sein. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihr
Sohn die Steering School gesund überstand, hatte dann wie eine Hebamme ihrer eigenen
seltsamen Lebensgeschichte auf die Welt geholfen und wurde schließlich eine Art
Krankenschwester für Frauen mit Problemen. Eine anerkanntermaßen starke Frau,
bei der andere Frauen Rat suchten. Wie der plötzliche Erfolg von Eine sexuell Verdächtige von Jenny Fields bewies, stand
eine ganze Nation von Frauen vor dem Problem, über ihr Leben entscheiden zu
müssen; diese Frauen fühlten sich durch Jennys Beispiel ermutigt, unpopuläre
Entscheidungen zu treffen.
    Sie hätte bei jeder Zeitung eine
Ratgeber-Rubrik eröffnen können, aber Jenny Fields fand, dass mit dem Schreiben
jetzt Schluss sei – genau wie sie vor längerer Zeit entschieden hatte, dass nun
mit der Ausbildung Schluss sei, und kürzlich, dass nun mit Europa Schluss sei.
Mit der Krankenpflege dagegen war für sie in gewisser Beziehung nie Schluss. Ihr Vater, der schockierte Schuhkönig, starb
kurz nach dem Erscheinen ihres Buches an einem Herzinfarkt. Auch wenn Jennys
Mutter nie Jennys Buch für die Tragödie verantwortlich machte und Jenny sich
selbst auch nie, wusste ihre Tochter doch, dass Mrs. Fields nicht allein leben
konnte. Im Gegensatz zu Jenny war Jennys Mutter gewohnt, mit jemandem
zusammenzuleben; nun war sie alt, und Jenny malte sich aus, wie sie ziellos und
nach dem Ableben ihres Gatten ihres letzten Fünkchens Verstand beraubt durch
die großen Räume in Dog’s Head Harbor irrte.
    Jenny fuhr hin, um sich um sie zu
kümmern, und hier, im Herrenhaus in Dog’s Head Harbor, nahm Jenny dann auch [263]  ihre
neue Rolle als Ratgeberin für die Frauen in Angriff, die sich von ihrer
nüchternen Art, an Entscheidungen heranzugehen, inspirieren lassen wollten.
    »Selbst an gespenstische Entscheidungen!«, jammerte Garp, aber er war glücklich,
und er war versorgt. Er und Helen bekamen fast sofort ein erstes Kind. Es war
ein Junge, der den Namen Duncan erhielt. Garp scherzte oft, dass Duncan der
Grund sei, weshalb sein erster Roman aus so vielen kurzen Kapiteln bestehe.
Garp schrieb in den Pausen, wenn er nicht gerade das Kind füttern oder ihm die
Windeln wechseln musste. »Es war ein Roman mit lauter harten Schnitten und
kurzen Kapiteln, und das ist ganz und gar Duncans Verdienst«, behauptete er
später. Helen war jeden Tag im College; sie hatte nur unter der Bedingung
eingewilligt, ein Kind zu bekommen, dass Garp bereit war, es zu versorgen. Garp
gefiel die Vorstellung, nie aus dem Haus gehen zu müssen. Er schrieb und
versorgte Duncan; er kochte und schrieb und versorgte wieder Duncan. Wenn Helen
nach Hause kam, kam sie zu einem recht glücklichen Hausmann nach Hause; solange
er mit seinem Roman vorankam, konnte ihn keine noch so geistlose Alltagsarbeit
aus der Fassung bringen. Im Gegenteil, je geistloser, desto besser. Zwei
Stunden täglich ließ er Duncan in der Obhut einer Nachbarin und ging in die
Turnhalle. Später wurde er ein Kuriosum an dem Mädchencollege, an dem Helen
unterrichtete, weil er endlose Runden um das Feldhockey-Feld lief oder sich
eine halbe Stunde zum Seilhüpfen in eine für Gymnastik reservierte Ecke der
Turnhalle zurückzog. Er vermisste das Ringen. Helen hätte doch wenigstens eine
Stelle an einer Schule annehmen können, wo es eine [264]  Ringermannschaft gab,
jammerte er. Helen hatte auszusetzen, dass die Abteilung für englische
Literatur zu klein war und dass keine männlichen Studenten in ihren Vorlesungen
saßen, aber es war eine gute Stelle, und sie würde sie behalten, bis sich etwas
Besseres bot.
    In Neuengland liegt wenigstens
alles nahe bei allem anderen. Sie besuchten Jenny an der Küste und Ernie in
Steering. Garp ging manchmal mit Duncan in den Ringerraum von Steering und
rollte ihn wie einen Ball herum. »Hier hat dein Daddy gerungen«, erklärte er
ihm.
    »Hier hat dein Daddy alles gemacht«, erklärte Helen

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