Garten des Lebens
sie sich festhalten konnte, in diesem Sturm der Gefühle.
Sie rang nach Luft, als Dave sich von ihr löste. Sie standen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt, und ihr Atem ging schwer.
“Die Wahrheit ist, Carolyn: Ich bin, was ich bin, und du bist, was du bist. Ich bin ein umherziehender Arbeiter, während du das wichtigste Unternehmen der Gegend leitest. Ich lebe in einem alten Wohnmobil, du hast ein prächtiges Haus.” Er machte eine ausholende Bewegung. “Die Leute werden reden. Sie reden schon jetzt. Glaubst du, es gibt irgendjemanden in Colville, der noch nicht über uns Bescheid weiß? Sie alle wissen es, und die Dinge, die sie sagen, würden dir nur wehtun. Und das will ich nicht zulassen.”
“Aber …”
Er fasste sie an den Schultern, um sie zum Schweigen zu bringen. “Ich werde morgen meine Kündigung einreichen.”
“Nein!”
Einen Moment lang schien es, als würde er die Entscheidung noch einmal überdenken, aber schließlich schüttelte er den Kopf. “Ich werde einen anderen Job finden. Woanders.”
“Wie willst du bis dahin über die Runden kommen?”
“Ich habe nur wenige Ausgaben. Ich komme schon zurecht.”
“Es ist mir egal, wer über uns Bescheid weiß!”
Ganz sanft berührte er ihr Gesicht. “Aber mir nicht. Ich will nicht, dass die ganze Stadt über dich spricht.”
Sie wusste, dass er seine Worte ernst meinte. Sie schlang ihre Arme um ihn und hielt ihn fest. “Ich fühle mich so egoistisch und schuldig, weil ich mit dir zusammen sein will.”
Er strich ihr übers Haar und hielt sie in seinen Armen. “Ich will auch mit dir zusammen sein. Und noch werde ich dich nicht verlassen.”
“Versprochen?”
Sie spürte an ihrer Wange, wie er seinen Mund zu einem Lächeln verzog. “Versprochen”, flüsterte er.
Wenn die Zeit käme, würde sie ihn gehen lassen – ihr blieb keine andere Wahl. Doch sie
musste
daran glauben, dass ihre Liebe stark genug war, um ihn zurückzuhalten.
33. KAPITEL
A m Mittwochmorgen wünschte Susannah sich nichts sehnlicher, als Colville zu verlassen, nach Hause zu fahren, mit ihrem Ehemann zusammen zu sein.
So vieles war ihr nach dem Telefonat mit Joe durch den Kopf gegangen. Er hatte sie in der vergangenen Nacht noch einmal angerufen. Über eine Stunde hatten sie miteinander gesprochen, über ihre Empfindungen zu Beginn des Sommers, ihre Ruhelosigkeit. Susannah hatte über ihre Gefühle zu Jake nie geredet, und deshalb waren die Erinnerungen wohl zurückgekehrt – hatten sie im Schlaf verfolgt und ihre Gedanken bestimmt. Nun, sie hatte ihn nicht gefunden, und es war ihr auch nicht mehr wichtig. Vielleicht lebte er irgendwo unter anderem Namen. In den Siebzigern war es relativ einfach gewesen, sich eine neue Identität zuzulegen.
Niemals hätte sie damit gerechnet, dass die Suche nach Jake so viele Dinge ans Tageslicht befördern würde. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Doug mit Drogen gedealt haben sollte. Das hätte ihren Vater zerstört – hätte die ganze Familie zerstört.
Dennoch wollte sie gerne Antworten auf einige Fragen bekommen. Obwohl das alles vor mehr als dreißig Jahren geschehen war, gab es im Büro des Sheriffs sicher noch Aufzeichnungen und Unterlagen. Bestimmt ließe sich einiges auch übers Internet herausfinden.
Da sie Carolyn nicht im Sägewerk stören wollte, entschied Susannah sich, einen der Computer in der Stadtbücherei zu benutzen. Sie machte sich auf den Weg, ohne Chrissie Bescheid zu sagen. Ihre Tochter war in der vergangenen Nacht erst spät nach Hause gekommen. Susannah hatte ihr nichts davon erzählt, dass sie Troy mit einer anderen Frau gesehen hatte. Sie wollte erst mehr über diese andere Frau herausfinden, bevor sie Chrissie mit der Wahrheit konfrontierte.
Susannah fuhr in die Bibliothek, setzte sich an einen der Rechner und loggte sich ins Internet ein. Trotzdem schaffte sie es nicht einmal mit Hilfe der Bibliothekarin, an die Daten des Sheriffbüros von Colville zu gelangen.
Sie versuchte es über die Datenbank der lokalen Zeitung, recherchierte nach Jake Presley – und fand nichts. Dann gab sie auch Dougs Namen ein. Doch alles, was sie fand, war ein Artikel zu seinem Tod. Als sie ihn las, füllten sich ihre Augen mit Tränen.
Susannah erinnerte sich nicht mehr, ob sie den Artikel damals schon gelesen hatte. In der Zeitung stand, dass Dougs Genick gebrochen und er sofort tot war. Ein Gefühl der Erleichterung durchströmte sie, weil das Auto kein Feuer gefangen hatte und nicht
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