Garten des Lebens
die Kommune …”
“Ich meine”, unterbrach Mr. Dalton sie, “dass sie vor dem Bundesgericht von einem Staatsanwalt angeklagt werden sollten. George war außer sich, vollkommen außer sich, und wir unterhielten uns darüber. Ich konnte nichts tun – und ihm waren in dieser Angelegenheit auch die Hände gebunden.”
Susannah wandte sich ihm zu. “Sie erinnern sich an all das?”
“Als wäre es erst gestern gewesen”, entgegnete der alte Mann. “Dein Bruder hat einen Fehler gemacht. Und sein Freund ebenso. Solche Schwierigkeiten lassen sich nicht so einfach aus der Welt schaffen. Wenn die Bundesregierung beteiligt ist, gibt es keine Chance, der Anklage zu entgehen – auch wenn der Vater ein Richter ist.”
Greg Dalton hatte den Blick in die Ferne gerichtet. “Ich kam als Erster am Unfallort an. Er war schon tot. Gegen einen Baum gekracht. Rauch und Dampf stiegen aus dem Motorraum auf. Ich stemmte die Fahrertür auf, und der Junge fiel mir entgegen, direkt in meine Arme.” Der alte Mann schüttelte den Kopf, als wolle er deutlich machen, dass er nicht mehr über jene Nacht sprechen könne.
“Greg hat über die Jahre viele Unfälle sehen müssen”, sagte Mrs. Dalton leise. “Aber Doug war der Sohn eines guten Freundes. Er rief mich an. In all den Jahren, die er als Sheriff arbeitete, habe ich meinen Mann nie mehr so verstört erlebt. Er fragte mich, ob ich mich um Vivian kümmern würde, während George seinen Sohn identifizierte.”
Susannah spürte einen Kloß im Hals.
“Ich glaube, es hat George beinahe umgebracht, seinen Sohn beerdigen zu müssen”, fügte Mrs. Dalton hinzu.
“Ich weiß”, flüsterte Susannah. Sie starrte in ihre Limonade. Bisher hatte sie nur einen Schluck gekostet, und war sich nicht sicher, ob sie noch mehr hinunterbringen würde.
“Aus Respekt für George und seine gesellschaftliche Stellung bemühte sich mein Mann, die Anschuldigungen gegen Doug aus der Presse zu halten. Die ganze Sache war streng geheim. Nur wenige Menschen wussten darüber Bescheid.”
“Wissen Sie, was aus Jake Presley wurde?”
Mrs. Dalton schüttelte den Kopf. “Tut mir leid, nein.”
Der Sheriff räusperte sich und antwortete, ohne seine Augen zu öffnen: “Er ging weg. Ging mit weißer Weste.”
Das hatte Susannah geahnt. Sie stellte ihr Glas ab.
“Konnte ich dir einige Antworten geben, die du brauchtest?”, fragte der Sheriff.
“Ja, Sie haben mir sehr weitergeholfen.”
“Gut.” Sein Kopf sank auf seine Brust und seine Augen blieben geschlossen.
“Ich danke Ihnen, dass sie sich für mich Zeit genommen haben”, sagte Susannah und stand auf. “Wenn mir noch weitere Fragen einfallen sollten, darf ich Sie dann anrufen?”
Mrs. Dalton nickte. “Wir tun, was wir können.”
“Danke.” Susannah ging hinaus zu ihrem Wagen. Tränen standen in ihren Augen. Nun hatte sie die Antworten, aber es war ganz sicher nicht das, was sie hatte hören wollen.
34. KAPITEL
A ls Susannah nach Hause kam, war Chrissie nicht da, und Susannah war froh darüber. Sie brauchte etwas Zeit für sich. In ihrem Kopf überschlugen sich die Gedanken.
Bisher hatte Susannah Chrissie nicht erzählt, dass sie Troy mit einer anderen Frau gesehen hatte. Ihre Tochter würde ihr wohl auch kaum Glauben schenken – schon gar nicht ohne Beweise. Susannah fühlte sich zum Verzweifeln ohnmächtig.
Im Haus war es warm. Sie öffnete Vorder- und Hintertür, um Durchzug zu machen, setzte sich in einen Gartenstuhl und schloss die Augen. Sie musste noch einmal in Ruhe über alles nachdenken.
Beinahe wäre Susannah im Schatten der Kiefer eingeschlafen. Das war kein Wunder, hatte sie doch in der vergangenen Nacht nicht einmal vier Stunden Schlaf bekommen und in der Nacht davor sogar noch weniger. Sie machte sich große Sorgen. Was stimmte nicht mit ihr? Sie war immer besonnen und vernünftig gewesen. Alles begann im letzten Jahr, nachdem ihr Vater gestorben war. Doch sie weigerte sich, Joes Theorie Glauben zu schenken, dass ihre Depression mit dem Tod ihres Vaters zusammenhing. Mittlerweile war sie sich bei überhaupt nichts mehr sicher. Sie hoffte, dass, wenn sie zu Hause wäre, ihr Leben wieder in normalen Bahnen verlaufen würde.
Normal.
Normal bedeutete, dass Dinge tatsächlich so waren, wie sie schienen. Keine Täuschungen, keine hässlichen Geheimnisse.
Normal wäre eine Erleichterung, trotz ihrer Apathie und der Antriebslosigkeit.
Mit geschlossenen Augen sah Susannah den Jake von vor dreißig Jahren vor sich.
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