Garten des Lebens
ebenso. Rosmarin gehört zu meinen Lieblingskräutern, weißt du?”
Susannah nickte. “Vielleicht können wir nach dem Einkauf eine kleine Stadtrundfahrt machen.” Sie bemühte sich, wollte Vivian den Eindruck vermitteln, es handele sich um einen ganz normalen Ausflug.
Vivian zögerte. Offenbar war sie sich nicht sicher, ob sie ihrer Tochter den Streit so einfach vergeben sollte. “Das wäre schön”, stimmte sie schließlich zu.
Zusammen fuhren sie zum
Safeway.
Vivian hakte sich bei ihrer Tochter unter, als sie über den Parkplatz liefen. Susannah hatte das Gefühl, sie brauchte Unterstützung, um das Gleichgewicht zu halten. Und es war überdies ein stummes Zeichen, dass alles vergeben und vergessen war.
Sie beluden ihren Einkaufswagen mit Lebensmitteln, die – so hoffte Susannah – den Appetit ihrer Mutter anregen würden. Sie kaufte Makronen, die Lieblingskekse ihrer Mutter, Spargel, Ritz Cracker und andere Leckereien, von denen Susannah wusste, dass Vivian sie sich niemals selbst kaufen würde. Ein Glas russischen Senf, das Vivian in den Einkaufswagen gelegt hatte, stellte Susannah wortlos zurück ins Regal, behielt jedoch die Oliven.
Später verließen sie den klimatisierten Laden. Die Sonne strahlte, und bereits um zehn Uhr morgens herrschten beinahe vierundzwanzig Grad.
“Es wird ein heißer Tag heute”, stellte Susannah fest, während sie die Lebensmittel in den Kofferraum räumten.
Ihre Mutter antwortete mit einem leichten Lächeln. “Es tut mir leid, Susannah, aber ich würde mich in Seattle nicht zurechtfinden. Ich weiß, dass du enttäuscht bist, aber ich kann Colville nicht verlassen. Hier ist meine Heimat.”
Susannah spürte einen Kloß im Hals. “Ich weiß, Mom. Ich will dir dein Zuhause auch nicht wegnehmen. Aber bitte verstehe doch, dass ich nur dein Bestes will.”
“Susannah, ich bin diejenige, die am besten weiß, was gut für mich ist.”
“Natürlich. Betreutes Wohnen bedeutet nicht, dass du deine Unabhängigkeit verlierst. Ich …”
“Betreutes Wohnen? Wie kommst du denn
darauf?”
Ohne ein weiteres Wort stieg Vivian in den Wagen und schlug die Tür zu.
“So, das war's dann wohl”, murmelte Susannah. Sie packte noch die letzten Lebensmittel in den Kofferraum, schloss die Klappe und brachte den Einkaufswagen zurück.
Susannah öffnete die Fahrertür des Autos und stieg ein. “Es schadet doch nicht, sich solch eine Einrichtung mal anzuschauen, oder?”
Ihre Mutter antwortete nicht.
“Mom, bitte sei nicht so stur.”
Vivian drehte den Kopf weg und starrte aus dem Beifahrerfenster. Noch nie hatte Susannah erlebt, dass sich ihre Mutter so verhielt. Vivian war immer eine ergebene und gehorsame Ehefrau gewesen. Sie konnte sich nicht daran erinnern, dass ihre Mutter sich auch nur ein einziges Mal gegen die Vorschriften des Familienoberhauptes aufgelehnt hätte. Ihr Vater, der Richter, herrschte im Haus und über die Familie. Was er sagte, war Gesetz. Vivian hatte den passiven Teil in der Ehe ihrer Eltern gespielt.
Als sie nun darüber nachdachte, wunderte Susannah sich darüber, dass Vivian es trotz der autoritären Art ihres Vaters oft geschafft hatte, das zu bekommen, was sie wollte. Die Methoden, die sie dafür anwandte, waren nie direkt und offensichtlich. Aber Vivian war eine Meisterin der Manipulation. Das wurde Susannah rückblickend viel deutlicher. Und nun war sie gezwungen, ebenso subtil vorzugehen. “Ich dachte, wir fahren mal ein wenig in der Stadt herum”, sagte sie freundlich. Sie startete den Wagen, und die Klimaanlage sprang an. Das Wageninnere wurde erst mit warmer Luft gefüllt, die sich allmählich angenehm abkühlte.
Vivian schwieg noch immer.
“Du hast mir gar nicht erzählt, dass es in Colville einen
Wal-Mart
gibt”, sagte Susannah beiläufig. “Möchtest du hinfahren?” Ihre Mutter liebte es, einkaufen zu gehen.
“Oh.” Vivian lächelte, und die Spannung wich langsam von Susannah.
Statt direkt nach Hause zu fahren, um die Lebensmittel auszuladen, schlug Susannah einen Umweg ein und fuhr an der ersten Einrichtung für betreutes Wohnen vorbei, mit der sie Kontakt aufgenommen hatte. Es war ein moderner Gebäudekomplex, der an ein schönes Hotel erinnerte. Balkone und ein Brunnen vor dem Eingangsbereich bestimmten das Bild.
Susannah sagte nichts, fuhr aber merklich langsamer, als sie vorbeikamen.
“Offensichtlich weißt du nicht mehr, wie wir nach Hause kommen”, sagte Vivian, und ihre Stimme klang kalt.
“Oh, ich weiß genau,
Weitere Kostenlose Bücher