Garten des Lebens
Freundin. “Nein … ich fühle mich nur einfach furchtbar, weil ich Mom das angetan habe – auch wenn ich weiß, dass es richtig ist.” Sie hielt inne. “Ich will nicht diejenige sein, die diese Entscheidungen treffen muss.”
“Ich war allein mit meiner Mutter, nachdem Dad gestorben war”, erinnerte Carolyn sie. “Glaub mir, ich weiß, wie schwierig es ist. Ich musste sie zwar nicht in ein Heim bringen lassen – Gott sei Dank –, aber manchmal frage ich mich, ob es ihr mit Frauen in ihrem Alter vielleicht besser ergangen wäre.” Unvermittelt wechselte sie das Thema: “Der Grund, warum ich anrufe … Ich wollte dich fragen, ob du in der nächsten Woche vielleicht Zeit hättest, zum Abendessen zu mir zu kommen? Donnerstag käme den anderen auch gelegen.”
“Den anderen?”, wiederholte Susannah. “Wer sind die anderen?”
“Ich habe Sandy Giddings getroffen. Sie hat mir erzählt, dass sie dich im
Wal-Mart
gesehen hat. Also habe ich sie auch eingeladen, zusammen mit Yvette Lawton und Lisa Mitchell. Was hältst du davon?”
“Das ist wunderbar!”
Sandy, Lisa und Yvette waren Susannahs beste Freundinnen auf der Highschool gewesen. “Ich wusste nicht, dass du auch mit ihnen befreundet warst.”
“Wir waren eher Bekannte als Freunde”, erklärte Carolyn, “aber ich möchte mich ein bisschen besser integrieren, und dies erscheint mir ein guter Weg, mich bei einigen Leuten wieder in Erinnerung zu bringen.”
“Das hört sich gut an. Danke, dass du dich um alles gekümmert hast.”
“Wir werden einen herrlichen Frauenabend verbringen”, sagte Carolyn.
Susannah konnte einen Abend mit Freunden gut gebrauchen. Sie hatte den Kontakt zu diesen Frauen vor langer Zeit verloren und freute sich darauf, sie alle wiederzusehen. Carolyn suchte Freunde für ihr jetziges Leben. Sie selbst hingegen wollte die Verbindung zu ihrer Vergangenheit wiederherstellen. Das war Susannah mittlerweile klar. Und Sandy, Yvette, Lisa und Carolyn waren ein wichtiger Teil ihrer persönlichen Geschichte.
Nach dem Gespräch mit Carolyn fühlte Susannah sich besser. Sie setzte sich vor den Fernseher, zappte durch die Kanäle, konnte sich jedoch nicht konzentrieren. Schließlich ging sie ins Bett, doch es dauerte lange, bis Susannah endlich Schlaf fand.
Ihre Träume waren erfüllt von Kindheitserinnerungen: Von ihrer Mutter, die Kekse buk und die als Brandschutzleiterin mit in Susannahs Sommer-Camp war. Sie träumte von Sommerspaziergängen mit ihrem Vater und davon, wie sie sich anschließend Eis kauften – für sie immer Erdbeereis, für ihn Vanilleeis. Als Richter hatte er eine wichtige Position inne, und für sie war er damals der wundervollste Mann auf der Welt. Ihre Meinung über ihn änderte sich erst, als sie in die Highschool kam und erkannte, wie herrisch und streng er war. Und sie träumte davon, wie sie Ostereier suchte, und vom Schwimmen mit ihren Freunden im städtischen Schwimmbad.
Am nächsten Morgen wurde Susannah von der Sonne geweckt, die hell in ihr Zimmer schien. Es war eine schöne Art aufzuwachen, besonders, wenn der klare, leuchtende Sonnenschein von Vogelgezwitscher begleitet wurde. Sie duschte, zog sich an und machte Kaffee. Die erste Tasse trank sie draußen im Garten. Bevor sie zu ihrer Mutter fuhr, goss sie die Pflanzen, verweilte ein paar Minuten inmitten der prächtigen Rosen und bewunderte abermals die Kraft, die ihre Mutter in den Garten gesteckt hatte. Vivian mochte alle anderen Dinge schleifen lassen haben, aber ihren Garten hatte sie liebevoll gepflegt. Susannah belud den Wagen mit einigen Kleinigkeiten für die neue Wohnung ihrer Mutter und fuhr los.
Als sie die Elm Street erreichte, war Susannah selbst überrascht, dass sie nicht rechts abbog, sondern die Straße zum Friedhof nahm. Seit der Beerdigung hatte sie das Grab ihres Vaters nicht mehr besucht. Warum sie gerade jetzt den Drang verspürte, zum Friedhof zu fahren, konnte sie nicht sagen. Vielleicht hatte es mit ihren Träumen zu tun, mit ihrem Wunsch, ihre Vergangenheit aufzuarbeiten.
Sie parkte in der Nähe des Eingangs – ihr Wagen war der einzige, der dort stand – und lief den Weg zwischen den Gräbern entlang, bis sie zu dem Platz kam, wo ihr Vater vor sieben Monaten beigesetzt worden war. Als sie über den Rasen auf seine Ruhestätte zuging, erinnerte sie sich daran, wie der Sarg hinabgelassen wurde. Inzwischen war der Gedenkstein auf das Grab gesetzt worden. Neben Namen und Lebensdaten ihres Vaters standen Name und
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