Garten des Lebens
fühlte sich wohl und geborgen in diesem Garten, mit all seinen wundervollen Farben, den Düften …
Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie lehnte den Kopf gegen die Rückenlehne des Gartenstuhls und versuchte, ihre unendliche Trauer hinunterzuschlucken. Susannah würde es tun. Sie hatte es in ihren Augen gesehen. Sie hatte den entschlossenen Zug um ihren Mund wahrgenommen. Schon als Kind war Susannah stur gewesen – oftmals bis hin zur Unvernunft, vor allem, wenn sie sich gegen George auflehnte. Das einzige Kind, das ihr geblieben war, würde sie in ein Heim bringen und dabei erzählen, dass alles nur zu Vivians Bestem geschah.
Erschöpft schloss sie die Augen und wiegte leicht im Schaukelstuhl vor und zurück. Allmählich entspannte sie sich.
“Vivian.”
Irgendjemand rief nach ihr. Eine leise Stimme, weit entfernt. Bildete sie es sich ein? Oder war es echt? Vivian lauschte angestrengt in die Stille. Es war George – das wusste sie. George kämpfte darum, zu ihr zu gelangen, kämpfte darum, die große Kluft zu überwinden, die sie trennte.
Vivians Herz schlug bis zum Hals, als sie die Augen öffnete. “Ja, George, ich bin hier – ich brauche deine Hilfe.” Sie beeilte sich, ihm alles zu erzählen. “Susannah will, dass ich in eine Einrichtung für betreutes Wohnen ziehe. Was soll ich tun … Sag mir, was soll ich nur tun?” Sie wartete, aber niemand antwortete ihr.
“George, bitte! Du musst mir sagen, was ich tun soll!”
Ihr verzweifelter Appell verhallte in der Stille der Nacht. Sie blickte suchend in die Dunkelheit des Gartens, aber sie konnte George nicht entdecken.
Vivian begann zu weinen und wiegte sich leicht vor und zurück. Doch sie fand keinen Trost. Sie schloss die Augen, plötzlich hörte sie ein einziges Wort, das an ihr Ohr drang. Sanft wie ein Flüstern.
Ein Wort, das ihr Leben veränderte. Ein Wort, das ihr sagte, was sie tun sollte. Ein Wort von George. Sie hatte gefragt und er hatte geantwortet.
George riet ihr zu gehen.
8. KAPITEL
C hrissie Nelson starrte auf das Telefon. Es schwieg beharrlich, und sie verfluchte es wohl zum hundertsten Mal an diesem Tag. Niemand rief an, nicht einmal ihre besten Freunde. Alle waren entweder im Urlaub oder arbeiteten, und sie selbst war zu Hause gefangen. Es war zum Verzweifeln.
Jetzt noch irgendeinen Job zu finden war völlig aussichtslos. Nicht einmal in der Zahnarztpraxis ihres Vaters war noch etwas zu machen. Abgesehen davon hätte sie es auch gar nicht gewollt. Chrissie hatte im vergangenen Sommer dort gearbeitet, und es war nicht besonders gut gelaufen. Gut, vielleicht war sie nicht so zuverlässig, wie er es sich gewünscht hatte. Und offensichtlich ärgerte er sich noch immer darüber, dass sie manchmal nach der Mittagspause einfach nicht mehr wiedergekommen war, denn diesen Sommer hatte er ihr keinen Job in seiner Praxis angeboten – nicht einmal als letzten Ausweg. Ihre Aufgabe, sagte er, war es, zu kochen und zu putzen, und er würde ihr dafür wahrscheinlich sogar etwas Geld geben.
Für das, was ich hier leisten muss, kann er mir gar nicht genug zahlen
. Das dachte Chrissie jedenfalls.
Sie wäre viel lieber bei ihrer Großmutter. Das Verhältnis zwischen Vivian und ihrer Enkeltochter war immer sehr innig gewesen, und seit der Beerdigung und dem fürchterlichen Moment der Abreise hatten sie einander nicht mehr gesehen.
Chrissie erinnerte sich daran, wie unglücklich und alleine ihre Großmutter ausgesehen hatte, als die Familie abgefahren war. Tränen liefen über ihr Gesicht, als das Auto schließlich von der Auffahrt gefahren war, und Chrissie hatte ebenfalls weinen müssen. Chrissies Herz schmerzte noch immer – doch plötzlich wusste sie, was sie tun musste. Sie würde Grandma Vivian besuchen. Dort wollte sie sein, dort
musste
sie sein. Irgendwie würde sie es schaffen, zu ihrer Großmutter zu fahren.
Entschlossen griff Chrissie zum Telefon und wählte die Nummer ihrer Großmutter in Colville. Als nach längerem Klingeln noch immer niemand abgenommen hatte, wollte sie schon auflegen. Doch dann meldete sich ihre Mutter.
“Hi Mom. Hier ist Chrissie.” Sie bemühte sich, fröhlich zu klingen.
“Chrissie. Du hast Glück, mich zu erwischen. Ich war draußen und habe Blumen gegossen.”
“Wie geht es euch?”, fragte sie und überlegte, wie sie ihren Plan am geschicktesten in Worte kleiden konnte.
Ihre Mutter schien mit den Gedanken woanders zu sein. “Grandma und ich haben uns gerade verschiedene Einrichtungen für
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