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Garten des Lebens

Garten des Lebens

Titel: Garten des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Macomber
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nicht. Sie blieb stark für ihre Mutter – jedenfalls hatte sie es sich damals so erklärt. Jetzt wurde ihr klar, dass sie sich nicht erlaubt hatte, zu trauern, weder um den Vater, der er geworden war, noch um den Vater, der er hätte sein können – der Vater aus ihrer Kindheit, an den sie sich erinnerte. Sie konnte sich nicht gehen lassen, denn sie fürchtete, wenn sie ihre Trauer zuließ, würde sie übermächtig werden.
    Auf dem Weg zu ihrem Auto spürte Susannah, wie erschöpft sie war. Sie kämpfte gegen den Kummer und die Tränen an und bereute es, hergekommen zu sein.
    Als sie den Wagen erreichte, lehnte sie sich gegen die Beifahrertür. Susannah wollte sich beruhigen, bevor sie zu ihrer Mutter fuhr. Doch schließlich entschied sie sich gegen einen Besuch bei Vivian – im Augenblick war sie dazu nicht in der Lage. Stattdessen würde sie sich um das Haus kümmern, alles einpacken, was sie konnte, und Entscheidung treffen, die getroffen werden mussten.
    Doch vorher wollte sie sich einer weiteren Herausforderung stellen: Seit Jahren war Susannah nicht mehr am Grab ihres Bruders gewesen. Sie hatte es gescheut. Und auch jetzt, als sie an Doug dachte, der eine Woche vor seinem Tod erst seinen einundzwanzigsten Geburtstag gefeiert hatte, stiegen ihr sofort wieder die Tränen in die Augen.
    Auf ihrem Weg zum Friedhof war Susannah an der Stelle vorbeigekommen, an der sein Auto von der Straße abgekommen war. Sie hatten hinterher erfahren, dass Doug mit über 110 Stundenkilometern in die Leitplanke gefahren und dann gegen einen Baum geschmettert worden war. Ihre einzige Hoffnung war, dass er nicht gelitten hatte. Das hätte sie nicht ertragen.
    Susannah brauchte ein paar Minuten, bis sie den Platz ihres Bruders gefunden hatte. Dougs Grab lag fünf Reihen oberhalb von dem ihres Vaters, und sie fragte sich einmal mehr, warum der Vater nicht neben seinem Sohn beerdigt worden war. Aber vielleicht waren die Grabstätten neben Doug schon verkauft gewesen. Das musste ihren Vater gequält haben.
    Susannah war überrascht, als sie sah, dass jemand hübsche rosafarbene Rosen und lila Flieder in einer Vase auf dem Gedenkstein arrangiert hatte. Sie erinnerte sich daran, dass ihre Mutter das Grab im ersten Jahr nach Dougs Tod regelmäßig besucht hatte. Ihr Schmerz war damals überwältigend gewesen. Aber soweit Susannah wusste, war Vivian in letzter Zeit nicht mehr auf dem Friedhof gewesen – und wenn sie hier gewesen wäre, hätte sie sicher auch Blumen auf das Grab ihres Ehemannes gestellt.
    Susannah kniete sich hin und berührte die zarten Blüten. Die Rosen, deren Knospen sich noch nicht geöffnet hatten, waren erst vor ein paar Stunden geschnitten worden. Sie stand auf und sah sich um. Vielleicht war derjenige, der die Blumen gebracht hatte, noch hier. Doch Susannah konnte niemanden entdecken.
    So viel Susannah ihrem Vater zu sagen gehabt hatte, so wenig hatte sie nun ihrem Bruder zu erzählen. Sie betrachtete lächelnd das Grab, warf Doug eine Kusshand zu und ging zu ihrem Auto. Und während sie den Weg entlanglief, wusste sie, dass sie für lange, lange Zeit nicht mehr zurückkehren würde.
    Vom Friedhof aus fuhr Susannah zum
Safeway
, um Kartons zu besorgen.
    Hinterher überfiel sie das Gefühl, ihrer Mutter doch einen Besuch abstatten zu müssen. Früher oder später würde sie sowieso hinfahren müssen. Also nahm sie den Weg zum
Altamira.
Ihre Mutter saß in ihrem kleinen Apartment und wartete bereits auf die Tochter. In dem Augenblick, als Susannah das Zimmer betrat, streckte Vivian die Arme nach ihr aus, ihr Blick war flehentlich.
    “Warum hast du so lange gebraucht?”, fragte sie, und Vivians Stimme zitterte ein wenig. “Ich hatte schon Angst, du würdest nicht mehr kommen.”
    “Aber natürlich komme ich”, versicherte Susannah ihr. Sie nahm die so zerbrechlich wirkende, zarte Hand ihrer Mutter in ihre eigene und kniete sich vor Vivian, um mit ihr auf Augenhöhe zu sein. “Wie hast du letzte Nacht geschlafen?”
    “Ich habe überhaupt nicht geschlafen. Kein Auge habe ich zugemacht.”
    “War es zu laut?”
    “Nein … ja. Ich weiß nicht. Das Essen ist grauenhaft. Du verlangst doch nicht von mir, bis an mein Lebensende kalte Eier und trockenen Toast zu essen, oder?”
    “Mom, probiere es doch erst einmal aus.”
    “Ich hasse es jetzt schon. Ich weiß, dein Vater denkt, es wäre besser für mich, aber ich sage dir etwas, Susannah: Ich will hier raus!”
    “Zwei Wochen”, erinnerte Susannah sie an ihre

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