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Garten des Lebens

Garten des Lebens

Titel: Garten des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D Macomber
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lesen. Wie immer bewunderte Susannah die Handschrift ihrer Mutter – diese wundervoll geschwungenen Buchstaben, die sich sanft nach rechts neigten.
    3. April 1957
    George brachte Doug zu seinem Baseballtraining und übte anschließend noch eine Stunde mit ihm das Werfen. Es rührt mich zu sehen, wie sehr mein Mann seinen Sohn liebt und wie sehr Doug seinen Vater liebt.
    Susannah erinnerte sich daran, wie oft Vater und Sohn gemeinsam Baseball geübt hatten. Sie hatte sich dann immer ein bisschen als Außenstehende gefühlt und … unwichtig.
    20. Juni 1957
    Ich habe mit George über meinen Wunsch gesprochen, zur Krankenpflegeschule zu gehen, aber er meinte, da die Kinder noch so klein sind, solle ich besser zu Hause bleiben. Ich habe versucht, ihm zu erklären, dass viele Frauen heutzutage arbeiten gehen, doch er wollte mir nicht zuhören. Ich weiß, dass ich eine gute Krankenschwester geworden wäre. George hat natürlich recht, obwohl ich mir manchmal wünschte, ich wäre zur Krankenpflegeschule gegangen, statt so früh zu heiraten. Aber im Krieg …
    Susannah runzelte die Stirn. Sie hatte nicht gewusst, dass ihre Mutter Krankenschwester werden wollte. In all den Jahren war niemals die Rede davon gewesen, dass Vivian auch gerne einen Beruf ausgeübt hätte. Immer hatte sich alles nur um ihren Vater und dessen Karriere als Richter gedreht.
    Vivian als Krankenschwester … Susannah erinnerte sich daran, wie hingebungsvoll ihre Mutter sie oder ihren Bruder gepflegt hatte, wann immer sie krank waren. Als Doug zehn Jahre alt war, hatte er sich bei einem Sturz vom Fahrrad den Arm gebrochen. Es war ein schlimmer komplizierter Bruch gewesen, aber ihre Mutter war ganz ruhig geblieben und hatte Doug zum Krankenhaus gebracht. Dort hatte man sofort operiert, um den Knochen wieder zu richten. Vivian war von Natur aus hilfsbereit und fürsorglich – sie wäre sicher eine gute Krankenschwester geworden. Wie hatte ihr Vater das seiner Frau verwehren können?
    Aufgebracht über das, was sie gelesen hatte, schlug Susannah einen anderen Teil des Tagebuches auf.
    11. November 1958
    Beide Kinder haben eine Mandelentzündung. Der Arzt sagt, wir sollen so bald wie möglich die Mandeln herausoperieren lassen. Das scheint mir eine zu drastische Maßnahme zu sein. Ich mache mir Sorgen, was bei so einer Operation alles passieren kann. Ich habe alles gelesen, was ich in der Bücherei finden konnte. Nun bin ich noch verunsicherter. Nach dem Essen habe ich mit George gesprochen, aber er war mit den Gedanken noch bei einem seiner Fälle. Ich glaube nicht, dass er auch nur ein Wort von dem, was ich gesagt habe, gehört hat. Er meinte, ich würde mir zu viele Sorgen machen. Vielleicht tue ich das, aber eine Operation – besonders für Susannah, die doch so anfällig ist – scheint mir zu gefährlich zu sein.
    Vivians damalige Einschätzung der Situation war durchaus richtig gewesen. Nach dem Eingriff hatte Susannah eine Infektion bekommen und musste mehrere Tage im Krankenhaus bleiben. Sie erinnerte sich nur verschwommen daran. Doch sie sah noch deutlich ihre Mutter vor sich, wie sie an ihrem Bett saß und die ganze Zeit über die Hand der Tochter hielt.
    Erschüttert legte Susannah das Tagebuch zur Seite und schenkte sich Tee ein. Ihre Hand zitterte ein wenig, als sie Milch hinzugab und umrührte. Nachdem sie den ersten Schluck getrunken hatte, nahm Susannah die Aufzeichnungen ihrer Mutter abermals zur Hand. Die folgenden Einträge handelten von alltäglicheren Dingen, wie dem wöchentlichen Einkauf, Hausputz oder dem Pflanzen eines Birnbaums in ihrem Garten.
    Schließlich klappte sie das Buch zu und brachte es zurück auf die Kommode. Dann setzte sie sich wieder an den Küchentisch, ergriff mit beiden Händen die Teetasse und dachte über das nach, was sie gelesen hatte. Noch am Morgen war Susannah deutlich geworden, wie wenig Kontakt zwischen Vater und Tochter bestanden hatte, und nun musste sie feststellen, dass sie auch über ihre Mutter nicht alles wusste. Susannah bereute, Vivians Tagebuch gelesen zu haben.
    Nach einem kleinen Abendessen aus Toast mit Erdnussbutter fuhr Susannah noch einmal zum
Altamira
, um ihre Mutter zu besuchen.
    Rose saß am Empfang und grüßte Susannah freundlich, als sie durch die Tür kam.
    “Ich komme doch nicht gerade während des Essens?”
    “Gott, nein. Das Essen wird um fünf serviert.”
    Susannah war so versunken in das Tagebuch gewesen, dass sie völlig die Zeit vergessen hatte. Natürlich,

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