Garten des Lebens
und hatte Zeit, mich um meinen Garten zu kümmern.”
Susannah war sich nicht sicher, ob
Segen
das richtige Wort war.
“Dein Vater und ich waren Partner. Du wolltest in ihm immer nur den Bösen sehen, mein Schatz, aber das war er nicht. George war ein guter Mann, ein liebender Ehemann und ein wundervoller Vater.”
Susannah schluckte eine Erwiderung hinunter. Die Familie
hatte
Glück gehabt, dass Vivian zu Hause bleiben konnte. Aber Vivian war dafür um die Möglichkeit gebracht worden, Krankenschwester zu werden – auch wenn sie es nie gezeigt hatte. Und Susannah fühlte sich an ihrer statt betrogen – betrogen um die Chance, die sie ganz sicher gehabt hätte.
11. KAPITEL
D er Nachmittag war kühl, und es wehte eine leichte Brise, als Carolyn zum Sägewerk zurückkehrte und ihren Wagen auf dem Parkplatz abstellte. Sie kam von einem sehr erfolgreichen Meeting mit dem Einkäufer einer Haushalts- und Eisenwarenkette in Spokane. Man war sich einig geworden, nun musste nur noch der unvermeidliche Papierkram erledigt werden.
Carolyn ging zum Büro, ihr langer Pferdeschwanz, der ihr bis halb über den Rücken reichte, schwang hin und her. Sie trug ein für sie ungewohntes Kostüm, ein schlichtes Ensemble im Marine-Look, mit einem schmal fallenden Rock und einer klassisch geschnittenen Jacke, dazu eine weiße Bluse und flache schwarze Pumps. Das war Carolyns Ich-geh'-zu-einem-Meeting-Outfit. Sie konnte es kaum erwarten, aus der Strumpfhose zu kommen. Da sie keine Ahnung hatte, was sie mit ihrem Haar anstellen sollte, band sie es meist zu einem Zopf zusammen. Sie konnte sich denken, was ihre modebewusste Mutter zu ihr sagen würde, wenn sie sie so sähe. Wenn es um die Waffen einer Frau ging, versagte Carolyn gänzlich. Sobald sie in ihrem Büro war, zog sie sich Jeans, Stiefel und ein Baumwollhemd an.
Gloria, ihre persönliche Assistentin, war offenbar schon gegangen. Das war in Ordnung, solange sie da war, wenn es der Job – oder Carolyn – forderte.
Carolyn wollte schnell den Papierkram erledigen, um dann nach Hause fahren zu können und alles für den Besuch vorzubereiten, den sie am Abend erwartete. Es war ein großer Schritt für sie gewesen, Susannah, Sandy, Lisa und Yvette einzuladen. Carolyn hatte nie viele soziale Kontakte gepflegt. Als Chefin des Sägewerkes, in dem ein Großteil der Bevölkerung Colvilles arbeitete, musste sie eine gewisse Distanz wahren – schon ihr Vater hatte sie davor gewarnt, sich mit den Familien der Arbeiter zu eng anzufreunden. Distanz war wichtig. Die Frauen, die sie jedoch heute Abend zu sich eingeladen hatte, hatten mit dem Sägewerk nichts zu tun.
Die Verantwortung für das Geschäft immer im Hinterkopf, hatte Carolyn nach ihrer Rückkehr sehr zurückgezogen gelebt und auf Freundschaften verzichtet. Manchmal fühlte sie sich einsam, aber das Pflichtgefühl in ihr hatte überwogen. Sie ärgerte sich nicht über ihre Position und die Einschränkungen, die sie in ihrem Privatleben in Kauf nehmen musste – sie nahm ihre Aufgabe ernst. Dieses Sägewerk leistete einen nicht unerheblichen Beitrag zur Wirtschaft der Umgebung, und das bedeutete, dass die Entscheidungen, die Carolyn traf, auch die ganze Stadt betrafen.
Nachdem sie die Schreibarbeit beendet hatte, ging Carolyn in den Hof. Bis zu drei Meter hoch lag dort das Holz gestapelt. Die Berieselungsanlage hielt den Bestand stets feucht und kühl. Ein Feuer hätte massive Schäden angerichtet, also musste alles getan werden, um das unbehandelte Holz zu schützen. Im Jahr zuvor hatte sie einen neuen Stapler für das Schnittholz erworben. So konnten die Betriebskosten minimiert werden. Mit neuen Maschinen, vor allem dem Stapler, war ihr Ziel, jährlich fünfzigtausend Kubikmeter Qualitätsholz zu produzieren, in greifbare Nähe gerückt. Kein niedrig gestecktes Ziel, aber sie hatte es sich in den Kopf gesetzt und tat alles, um es auch zu erreichen.
Als Jim Reynolds, der Betriebsleiter, Carolyn sah, ging er mit einem Clipboard in der Hand auf sie zu. Jim kam in der Reihe der Entscheidungsträger direkt nach ihr, und Carolyn verließ sich auf ihn. Er war weit mehr als nur der Betriebsleiter – er war ihre rechte Hand, und er hatte einen Antrieb und einen Ehrgeiz, den sie sonst nur von sich selbst kannte. Mit Jim besprach sie alle Entscheidungen, die für das Sägewerk getroffen werden mussten. Dank der vielen Jahre, die er schon im Sägewerk arbeitete, vertrauten auch die Männer seinen Anordnungen – und respektierten
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