Garten des Lebens
ich nicht glauben”, erwiderte Joe. “Dein Vater war nicht der Typ Mann, der seine Frau betrügt.”
“Ich hätte ja auch nie geglaubt, dass Carolyns Vater so etwas tun würde, trotzdem hat er es getan.”
“Du willst deinem Vater unbedingt etwas Schlechtes anhängen”, stellte Joe fest.
“Das stimmt nicht. Ich habe den Beweis doch hier in meiner Hand.”
“Barabhebungen und rätselhafte Notizen über Städte. Das sieht mir nicht nach eindeutigen Beweisen aus.”
“Er
hatte
etwas zu verbergen”, beharrte Susannah.
“Das denke ich auch. Aber wahrscheinlich wirst du niemals herausfinden, was es war. Warum ist es überhaupt so wichtig? Hast du nicht andere Dinge zu tun?”
“Ja. Tatsächlich habe ich viel zu viel, um das ich mich kümmern muss.”
“Aber Chrissie hilft dir doch, oder?”
Sie lehnte sich mit der Schulter gegen die Küchenwand. Ihr Vater war zu geizig gewesen, um ein schnurloses Telefon zu kaufen, hatte aber Tausende von Dollars für Gott weiß was verschwendet. “Sie verbringt den Tag mit Troy.”
“Schick sie nach Hause”, sagte Joe. “Wenn sie dir keine Hilfe ist – was ja der ursprüngliche Grund war, warum sie überhaupt nach Colville gefahren ist –, dann schick sie wieder zurück.”
“Das sollte ich vielleicht tun”, murmelte Susannah.
“Und warum tust du es dann nicht?”
Sie seufzte. “Chrissie versteht sich gut mit Mom.” Obgleich ihre Tochter sich gegenwärtig mit nichts anderem mehr beschäftigte als mit Troy, ging sie dennoch jeden Tag zu ihrer Großmutter. Vivian freute sich über Chrissies Besuche und stellte sie stolz den anderen Bewohnern vom
Altamira
vor. Chrissies Anwesenheit beruhigte Vivian. Susannahs Mutter lebte sich langsam ein und schloss Freundschaften – und das war auch Chrissies Verdienst.
“Susannah …”
“Entschuldige”, murmelte sie. “Ich dachte nur gerade über Chrissie nach. Ich mag Troy nicht und auch nicht die Tatsache, dass Chrissie so viel Zeit mit diesem Typen verbringt. Aber ich denke, sie wird selbst herausfinden, was für ein Mensch er ist.” Chrissie war unreif, doch Susannah hoffte noch immer, dass ihre Tochter eines Tages selber die Wahrheit über ihren neuen Freund erkennen würde.
“Bist du in Ordnung?”, fragte Joe.
“Mir geht's gut”, versicherte sie.
“Keine weiteren Hinweise auf den Unbekannten, der ins Haus eingedrungen ist?”
“Nein.” Wider besseres Wissen hatte sie einige Tage zuvor mit Joe über die Vorfälle gesprochen.
“Du würdest mir doch sagen, wenn etwas nicht stimmen würde?”
“Natürlich!”
“Es scheint einiges in Colville vorzugehen. Vielleicht sollte ich meine Termine am Freitag absagen und zu euch fahren.”
“Sei nicht albern”, erwiderte Susannah. “Mir geht es wirklich gut. Und Chrissie auch.” Sie unterhielten sich noch ein paar Minuten und beendeten dann das Telefonat. Joe versprach, gegen Abend noch einmal anzurufen.
Noch immer verwirrt und in Sorge, ging Susannah hinaus in den Garten, den ihre Mutter so liebte. Ungeachtet all der Arbeit, die allein die Auflösung des Hausstandes ihrer Eltern machte, versuchte Susannah, sich jeden Tag auch noch um den Garten zu kümmern. Auch um ihretwillen, denn die Stille und die Schönheit der Pflanzen entspannten sie – genauso, wie sie ihre Mutter entspannt hatten. Susannah wanderte die Reihen von blühenden Zwiebelgewächsen entlang, die riesigen Löwenzahnblüten glichen, deren Köpfe jedoch zehn bis zwölf Zentimeter im Durchmesser maßen. Die Gladiolen blühten ebenfalls, und auch die Lilien, deren Duft die Luft erfüllte. Susannah setzte sich auf eine Bank nahe der Rosenlaube, schloss die Augen und wandte ihr Gesicht der wärmenden Sonne zu.
Als sie schließlich aufstand, um hineinzugehen, bemerkte sie Rachel Henderson, die mit ihrer Katze auf dem Arm ebenfalls im Garten stand. Das Tier hieß Mr. Bojangles und durfte sich in Rachels Hof und den umliegenden Gärten frei bewegen. Obwohl Vivian sich ab und zu über ihre Nachbarin beschwert hatte, war nie ein böses Wort über Mr. Bojangles gefallen. Mrs. Henderson winkte ihr nun von der anderen Seite des Zauns zu. Lächelnd winkte Susannah zurück, ging jedoch nicht hinüber, um sich mit Mrs. Henderson zu unterhalten. Sie war im Augenblick nicht in der Stimmung für einen Plausch.
Die Sonne strahlte von einem unglaublich blauen Himmel. Sie hatte ihre Mutter seit dem Vortag nicht mehr gesehen und entschloss sich, zuerst ins
Altamira
zu fahren, bevor sie die Arbeit im
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