Garten des Lebens
hatte sie
Kettle Falls Landscaping
angerufen und den Auftrag über das Anlegen der zusätzlichen Beete vor ihrem Haus storniert. Es wäre verrückt, die Beziehung zu Dave Langevin zu vertiefen. Die Gefühle, die sie für ihn empfand, brachten sie komplett aus der Fassung. Sie war nicht gut in Beziehungsdingen – eine gescheiterte Ehe war dafür Beweis genug. Ihr Vater hatte sich in der Wahl seines Ehepartners schon vertan, und sie war nicht besser gewesen. Aber im Gegensatz zu ihm wollte sie keine Affäre haben. Und wie würde es überhaupt aussehen, wenn die Besitzerin des Sägewerks mit dem Gärtner ausging? Das war eine snobistische Einstellung, aber so würden die meisten Bewohner der Stadt denken, und sie konnte das nicht ignorieren. Ihr Familienname beinhaltete auch eine gewisse Verantwortung. Eine Verpflichtung für die Gemeinschaft, in der sie lebte. Eine Beziehung mit Dave würde nur zu Komplikationen führen. Und darauf konnte sie nun verzichten.
Carolyn hatte ihre Rolle als Besitzerin des Sägewerks schon vor langer Zeit akzeptiert. Statt darüber nachzugrübeln, wie strukturiert, wie vorhersehbar ihr Leben war, widmete sie sich lieber den Unterlagen auf ihrem Schreibtisch. Das Tagesgeschäft nahm sie vollauf in Anspruch. Daher pflegte sie zwei bis drei Abende in der Woche zusätzlich im Büro zu verbringen, um den Papierkram zu erledigen, der sich ansammelte. Einiges hätte sie auch ihrer Assistentin zur Bearbeitung überlassen können, doch das tat sie prinzipiell nicht. Während dieser stillen und einsamen Momente im Büro erinnerte sie sich wieder an die wesentlichen Grundsätze ihres Jobs und bekam ein Gefühl dafür, was um sie herum im Sägewerk vor sich ging. Sie verfolgte Aufträge, behielt das Inventar im Auge, wurde auf Probleme innerhalb der Arbeitnehmerschaft aufmerksam.
Die Zeit verging. Carolyn arbeitete bis acht Uhr. Dann lehnte sie sich zurück, schaltete den Computer ab und ergriff ihre Handtasche, um endlich nach Hause zu fahren.
Nachdem sie die Bürotür verschlossen hatte, winkte Carolyn noch Nolan, dem Nachtwächter des Sägewerks zu. Dann ging sie zu ihrem Wagen. Es war ein wunderbar milder Abend. Sie liebte den Sommer. Es war Ende Juni, und es war noch immer hell. Das mochte der Grund sein, warum sie doch keine Lust hatte, schon nach Hause zu fahren. Carolyn entschloss sich, Susannah zu besuchen. Auf dem Weg zu ihrer Freundin kam sie am
He's Not Here
vorbei.
In dieser Kneipe gönnten sich die meisten Arbeiter des Sägewerks ein Feierabendbier. Ein paar Fahrzeuge standen auf dem Parkplatz, doch um diese Zeit waren die meisten Arbeiter bereits zu Hause bei ihren Familien.
Dann sah sie Dave Langevins ramponierten alten Truck. Das Herz schlug ihr bis zum Halse. Mittlerweile wusste er sicher schon, dass sie den Auftrag storniert hatte. Er wusste, was das bedeutete. Und sie fragte sich, ob er enttäuscht war.
Beinahe ohne das sie es wollte, lenkte Carolyn ihren Wagen auf den Parkplatz. Für mindestens fünf Minuten saß sie dann in ihrem Truck und überlegte, was nun zu tun sei. Ihre Hände waren feucht, ihr Magen hatte sich schmerzhaft zusammengezogen und ihr Herz raste. Die einfache Frage, ob sie hineingehen sollte oder nicht, wurde mit einem Mal zu der schwierigsten Entscheidung ihres Lebens. Schließlich stieg sie aus, ging auf die Kneipe zu und trat ein.
Die verdunkelten Fensterscheiben ließen kein Tageslicht in den Raum, und Carolyns Augen brauchten einen Moment, um sich an die schummrige Dunkelheit zu gewöhnen. Sie stand im Eingang und sah sich um.
Die Kneipe war nicht besonders gut besucht. Carolyn entdeckte Dave sofort. Er saß an einem Tisch in der Ecke, mit dem Rücken zur Wand, und trank ein Bier. Als er aufsah, trafen sich ihre Blicke für den Bruchteil einer Sekunde.
Langsam trat Carolyn in den Raum hinein. Aus der Jukebox erklang eine Reba-McEntire-Ballade, und der Geruch von Bier hing in der Luft. Eine paar Männer saßen an der Bar, auf der anderen Seite des Raumes spielten drei oder vier Männer Dart. Ein Mann und eine Frau – beide schon ziemlich angetrunken – wiegten sich auf der Tanzfläche eng umschlungen zur Musik.
Carolyn ließ sich auf eine Sitzbank an einem Tisch sinken, von dem aus sie einen guten Blick auf Daves Tisch hatte. Das schmerzliche Gefühl, das er in ihr auslöste, verstärkte sich. Es war, als würden sich alle Gefühle, alle Sehnsüchte, die sie vor Jahren nach ihrer Scheidung in sich verschlossen hatte, mit einem Mal wieder ihren
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