Garten des Lebens
Susannah einen Termin um drei Uhr am selben Nachmittag bei einer Frau namens Shirl Remington. Wie alle anderen wollte auch diese Frau einen Vorschuss. Das war in den Detektivgeschichten, die Susannah bisher gelesen hatte, immer anders gewesen.
Susannah schob alle Zweifel darüber, ob sie das Richtige tat, beiseite. Eine Erkundigung einzuholen kostete nichts. Sie würde sich einfach anhören, was die Frau vorschlug.
Um zehn vor drei kam Susannah an der vereinbarten Adresse in Spokane an. Die Agentur lag in einem Wohngebiet. Sie parkte an der Bordsteinkante, schaute noch einmal prüfend auf den Zettel, auf dem sie Namen und Anschrift notiert hatte, und ging dann zum Haus.
Eine Frau öffnete die Tür. Sie war groß, gertenschlank und wirkte noch sehr jung. Susannah schätzte sie auf maximal dreißig Jahre. “Sie müssen Susannah sein”, sagte sie und trat zur Seite, um Susannah eintreten zu lassen.
“Ja.” Susannah nickte und konnte ihre Aufregung kaum verbergen.
“Wir gehen in mein Arbeitszimmer.” Die Frau deutete auf eine Flügeltür, die in ein Büro neben dem Wohnzimmer führte.
Susannah betrat den Raum, setzte sich auf einen Stuhl und spielte nervös mit dem Reißverschluss ihrer Handtasche, bis die Frau hinter ihren Schreibtisch getreten war, sich hingesetzt und nach Stift und Block gegriffen hatte.
“Was kann ich für Sie tun?”, fragte Shirl.
Susannah atmete tief durch, um sich ein wenig zu beruhigen, und begann dann, so genau und ehrlich wie möglich, ihre Geschichte zu erzählen. Während sie sprach, machte sich die Privatdetektivin Notizen. Ihr langes braunes Haar fiel ihr immer wieder ins Gesicht, und immer wieder schob sie es zurück und steckte es hinter ihr Ohr. Susannah versuchte, sich davon nicht ablenken zu lassen. Warum ließ die Frau sich nicht einen kurzen Pony schneiden?
“Sie kennen nicht zufällig Jakes Sozialversicherungsnummer, oder?”, fragte Shirl hoffnungsvoll. Sie hob den Kopf und strich sich erneut die langen Haare aus dem Gesicht.
“Nein.” Susannah öffnete ihre Tasche und nahm zwei Zettel heraus, die sie auseinanderfaltete und über den Schreibtisch schob. “Dies sind alle Jake Presleys, die meine Freundin und ich im Internet finden konnten. Ich habe mit jedem Einzelnen persönlich gesprochen und bin mir sicher, dass keiner von ihnen der Jake ist, den ich suche.”
Shirl nickte. “Gut. Es ist wenig sinnvoll, etwas doppelt zu machen.”
Susannah entspannte sich allmählich. Trotz des kleinen Ticks mit ihren Haaren mochte Susannah die sachliche Art, mit der Shirl ihre Arbeit anging. Nach ein paar anderen Fragen legte Shirl ihren Stift beiseite.
“Gibt es noch etwas, das Sie mir sagen können und das mir hilft, Ihren Freund zu finden?”
Susannah fiel nichts mehr ein. Doch plötzlich erinnerte sie sich an etwas, woran sie seit Jahren nicht mehr gedacht hatte. “Ja”, rief sie. “Jake hatte als Kind einen gutartigen Tumor. Er musste operativ entfernt werden, und zurück blieb eine dünne Narbe, die etwa fünf Zentimeter unterhalb seiner Taille liegt. Vorne”, sagte sie.
Sie errötete bis in die Haarspitzen, als ihr bewusst wurde, dass die Frau sich nun wahrscheinlich fragte, wie und wann Susannah diese Narbe entdeckt hatte.
Zum Glück fragte die Privatdetektivin nicht weiter nach, sondern notierte sich nur diese Information. Dann blickte sie wieder auf. “Wie ich schon am Telefon sagte, nehme ich tausend Dollar im Voraus.”
Susannah schluckte und öffnete ihre Handtasche. Auch die anderen Detektive hatten den Job nur gegen einen Vorschuss dieser Größe übernehmen wollen. Wenn sie also die Antworten haben wollte, die sie brauchte, blieb ihr keine andere Wahl, als das Geld zu investieren.
“Sie nehmen doch Kreditkarten, oder?”, fragte Susannah, deren Stimme mit einem Mal heiser klang.
“Ja, sicher”, entgegnete Shirl und lächelte sie über ihren Schreibtisch hinweg an.
Mit zitternden Fingern zog Susannah ihre Kreditkarte hervor und überreichte sie der Detektivin.
Wie sollte sie das jemals ihrem Ehemann erklären?
22. KAPITEL
C arolyn blieb lange im Sägewerk. Die Produktion war für diesen Tag bereits beendet, und alle Mitarbeiter hatten den Hof verlassen. Eine unnatürliche Stille lag über der Firma. Am Tage herrschte auch im Büro stets Betriebsamkeit – bis das Signal ertönte und den Feierabend einläutete.
Am späten Nachmittag war sie hier meistens allein. Allein. Und das würde auch so bleiben.
Feige, wie sie nun einmal war,
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