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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Zeit vorstellen? Ist es nicht von größter Wichtigkeit, zu wissen, in welcher Umgebung es gelingen konnte, Schmerzen und Tod so souverän und freundlich zu begegnen, wie Epikur es tat?
    Vielleicht ist es möglich, beim Nachdenken über seinen Garten zu begreifen, was Philosophieren eigentlich heißt. Nicht Philosophie! Ich habe das ein paar Semester zu studieren versucht und erinnere mich nur an verstörende Begegnungen mit Menschen und Texten, die mir vergittert und kompliziert erschienen und mich andauernd zum Lügen zwangen. Man mußte ja inmitten der anderen Studenten so tun, als verstünde man etwas. In Epikurs Gesellschaft aber fühlte ich mich nicht so vernagelt. Und weil sich im Laufe eines Lebens die drei großen Fragen, woher man kommt, wozu man da ist und wohin man denn geht, immer nachdrücklicher melden, habe ich mir oft gewünscht, philosophieren zu können. Bis heute scheint mir ein Garten der ideale Ort dafür zu sein. Manches relativiert sich, wenn man es angesichts großer, alter Bäume oder verwelkter Blumen denkt.
    Wann hört eigentlich Nachdenken auf und fängt Philosophieren an? Spürt man den Augenblick? Und wer kann einem sagen, ob man es richtig oder falsch macht? Dasversuchte während meines Studiums keiner der Lehrer. Sie wollten nur, daß man ihnen folgte, unangeseilt, auf ihren Hochgebirgspfaden. Sie schienen sogar gern zu sehen, wenn einer abstürzte und im Abgrund der Ahnungslosigkeit landete. Wenn ich es recht bedenke, habe ich in meinem ganzen Leben keinen freundlichen Philosophen kennengelernt, weder tot noch lebendig.
    Außer eben Epikur. Und auch wenn die Büste des Epikur uns einen ernsten, hageren, bärtigen Mann zeigt, muß er doch menschenfreundlich gewesen sein. Schließlich wollte er nichts weniger als uns über Schmerzen trösten und den Tod wegphilosophieren.
    Sein Garten sei klein gewesen, heißt es. Aber was galt als klein im Athen des vierten vorchristlichen Jahrhunderts? Manche Quellen behaupten, die Bürger von Athen hätten ihm das Grundstück und das Haus geschenkt. Anderenorts steht, er habe sich beides gekauft, nach Jahren der erzwungenen Wanderschaft. Die große Gartenhistorikerin Marie Luise Gothein schreibt ihm einen weitläufigen Garten zu, im Wert von 80 Minen. Aber auch sie resigniert: Leider wissen wir über die Anlage des Gartens des Epikur gar nichts .
    342 oder 341 vor unserer Zeitrechnung wurde er auf Samos geboren. Kurz davor war Platon gestorben, seine Schulen samt Gärten lebten in Athen weiter. Epikur wurde zum Studium nach Teos in Kleinasien geschickt, kam danach nach Athen und mußte es alsbald verlassen, um wieder zurück nach Kleinasien zu gehen, nach Mytilene – Sapphos Stadt – und Lampsakos. Die mittelmeerische Welt war damals in andauernde Kriege verstrickt, die geistige Welt, dazu passend, von widersprüchlichen Welterklärungen geprägt.
    Er war um die dreißig, als er, endgültig nach Athen zurückgekehrt, seinen Garten fand – ob nun selbst erworben odervon seinen Anhängern – und ihn seinen Schülern, deren Frauen und sogar Sklaven öffnete. Anders als in der berühmten Akademie durften im Kepos alle mitmachen. Sechsunddreißig Jahre lang, bis zu seinem Tod, wurde dort gelehrt, erzählt und zugehört. Und während viele andere Philosophenschulen zugrunde gingen, erhielt sich der Kepos , der Garten des Epikur, noch viele hundert Jahre.
    Die Stadt Athen war, so wissen wir aus Überlieferungen, Verträgen und Funden, zu dicht bebaut, als daß sie Gärten hätte haben können. Kleine Innenhöfe, in denen Brunnen, Hausaltäre, Tiere und Kochstellen Platz finden mußten, hatten entweder gestampften oder gefliesten Boden. Um innerstädtische Tempel herum soll es Haine gegeben haben, in graden Reihen gepflanzte Bäume. Gärten dagegen umgaben in einer Art Grüngürtel die steinerne Stadt. Es kann aber doch sein, daß Epikur einen innerstädtischen Garten besaß, in der Nähe des Dipylontores. Mode wurden die jedoch erst in der römischen Zeit. Wo er auch gewesen sein mag – über seine Gestaltung wissen wir nichts. Man darf also phantasieren und den Philosophengarten imaginär bepflanzen.
    Lebe im Verborgenen , sagte Epikur. Anders übersetzt: Lebe zurückgezogen . Das hieß nicht, eremitisch zu sein. Nur hatte er offenbar keine Lust, seine Erkenntnisse in der Art vagabundierender Wanderphilosophen zu verbreiten, wie es die Kyniker taten. Er wollte in doppeltem Sinne einen festen Ort haben, denke ich, inmitten des philosophischen

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