Gartengeschichten
einer von den Amerikanerinnen im Polstermöbelschuppen war, spielte er auf dem Plattenspieler Märsche.
Manchmal trug er theatralische Uniformjacken, die er in irgendwelchen Kisten gefunden hatte. Dann roch er modrig wie ein längst Gestorbener. Wahrscheinlich war ich sehr in ihn verliebt.
Als es Winter geworden war, ging ich nicht mehr zu Ponelle. Mittlerweile hatte ich ein paar hübsche Sachen für mein Zimmer bei ihm gekauft, er hatte mir immer einen anständigen Preis gemacht. Einmal hat er mir etwas geschenkt, eine persische Puppe, die tückisch dreinschaute.
Man sieht: Ein Misanthropengarten kann durchaus in Gesellschaft genossen werden, es muß nur die richtige sein. Leute zum Beispiel, die lediglich den freien Himmel brauchen. Ohne Gitter, durch die man zu ihm hinaufschaut. Mit lebendigen Mauern drum herum.
Manche Misanthropengärten lassen willig kleine Wahnsinnigkeiten wachsen. Hinter ihren Hecken verbergen sie merkwürdige, oft sehr große Kollektionen von allerlei Gegenständen, die, von der Menschengesellschaft weggeworfen, für deren Verächter eben deshalb wertvoll und liebenswürdig sind. Denn Misanthropen sind zur Zuneigung durchaus fähig. Niemand baut so viele Vogelhäuschen wie sie und legt Futterplätze für verachtete Tiere wie Tauben und Ratten an.Niemand sammelt und ordnet verwaisten Besitz so liebevoll. Was einmal in der Welt ist und jemandem nützlich war, verdient nicht, achtlos fallengelassen zu werden. Vielleicht gibt es eine geheimnisvolle Verbindung zwischen Menschen und Dingen, von der nur die Menschenverächter wirklich etwas verstehen. Ausrangierte Kühlschränke, angeschlagene Kaffeekannen oder marode Möbel, verlassene und trostlose Gegenstände gibt es viele. Im Misanthropengarten finden sie Zuflucht, oft auch neue Aufgaben: Im Kühlschrank werden alte Zeitschriften aufgehoben und in den Kaffeekannen Tomatensetzlinge gezogen.
Manchmal wird Kunst aus diesen Arrangements, wunderbare Installationen wachsen über Jahre ungesehen hinter Dornenhecken und werden irgendwann entdeckt, nach dem Tod ihrer Besitzer oder durch Neugierige, die sich nicht abhalten lassen zu spähen.
Aber welche Pflanzen hat der Misanthrop gern in seinem Garten? Gibt es welche, die er besonders liebt oder verabscheut?
Man wird feststellen, daß zum Persönlichkeitsbild des Misanthropen – wenn er nicht von vornherein seinen Garten sich selbst überläßt und fast unbearbeitet nutzt wie Ponelle – eine gewisse Blumenverachtung gehört. Blumen, so scheint es, sind für einen ordentlichen Menschenverächter eine leichtfertige und luxuriöse Spielerei der Natur. Das Überschwengliche, das ihnen in ihrer Blütezeit eigen ist, macht den Misanthropen mißtrauisch und verlegen. Er liebt dunkles Grün, der Taxus ist sein Freund, vielleicht auch, weil man mit seiner Hilfe, wenn man wollte, die ganze Stadt ausrotten könnte. Das Wissen um die möglichen Katastrophen, die mit ihm angerichtet werden könnten, stimmt den echten Menschenfeind heiter.
Auch Buchs, Hainbuche, Konifere und Konsorten werden von ihnen geschätzt. Nicht für Hecken allein, sondern für allerlei Zurechtgeschnittenes. Es gibt auch Trauerweiden- und Birkenfreunde, die sich daran ergötzen, wenn ihre Lieblinge Nachbargrundstücke erobern. Grundsätzlich gilt: Der Misanthropengarten gibt sich nicht mit Halbheiten ab. Da er sich keinem Geschmackurteil oder Modediktat von außen beugen muß, ist er entweder anarchisch oder verbessert in nuce die Schöpfung, indem er ihr zeigt, wie eine richtige Ordnung auszusehen hat.
Vielleicht folgt der Misanthropengarten unbewußt den Worten von Voltaires gebeuteltem Dr. Pangloss, der sich alle Misere genial schönredet: Auf dem Unglück einzelner baut sich das Wohl der Allgemeinheit auf, so daß also das Glück der Gesamtheit um so größer ist, je mehr privates Unglück es gibt.
Aber ist der Misanthrop unglücklich? Wenn er einen Garten hat, ist er über das akute Unglück hinaus und hat sich eingerichtet. Deswegen ist der Misanthropengarten den klösterlichen Heilpflanzen- und Arzneimittelgärten an die Seite zu stellen. Seine therapeutische Wirkung ist nicht hoch genug einzuschätzen.
Epikurs Garten
»Ein Gärtchen, Feigen, kleine Käse und dazu drei oder vier gute Freunde, – das war die Ueppigkeit Epikur’s.«
Friedrich Nietzsche
Wie könnte er ausgesehen haben, Epikurs Garten? Auffallend schön heißt es bei Johannes Mewaldt. Aber wie muß man sich die Schönheit eines Gartens in der damaligen
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