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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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soziale Kontrolle, wie sie feingesponnener gar nicht sein kann. Jener hortus conclusus eigener Art, der sich hinter seinen lebenden Mauern nicht vor der Welt schützt, sondern sie negiert, gedeiht am besten auf Brachen oder mitten in der Stadt, wo ihn keiner vermutet. Und oft entsteht er wie zufällig, als Ziel eines langen und mühsamen Weges.
    Ponelle war ein entlassener Fremdenlegionär. Als Schrotthändler, Antiquitätenfälscher, Schmuggler und Kopf einer Gruppe zynischer und trinkfester Männer gehörte ihm ein interessanter Misanthropengarten, den man nur sehen konnte, wenn es einem gelungen war, viele Hindernisse zu überwinden. Von außen sah das Ganze aus wie einer jener Plätze, auf die die Leute hereinfallen, weil sie denken, sie fänden dort Schätze. Das funktioniert seit vielen Jahren, und keiner, der so ein Paradies aus Schutt und Glanz je betreten hat, gibt zu, daß er es anstatt mit einem tollen Fund mit teuer bezahltem Plunder wieder verlassen hat. Ein notdürftig überdachter Hof, bedeckt mit Möbeltrümmern, Uhrgehäusen, vom Friedhof geklauten steinernen Grabfiguren, Kirchenbänken, abgehackten Heiligenköpfen und Bergen von bürgerlichem Eßgeschirr war Ponelles Reich. Dahinter stand ein zweistöckiger Schuppen voll verlauster Polstermöbel, in dem er mit seinen wechselnden Kumpanen hauste. Er war ein gutaussehender drahtiger Mann unbestimmten Alters, immer braungebrannt, mit strohigen, dichten Haaren, die er sich kurz schor. Seltsamerweise trug er eine dicke Brille, die nicht zu ihm paßte. Ponelle verkaufte seinen Krempel mit der herablassenden Gebärde eines noblen Galeriebesitzers, lächelte nie und verschwand gelegentlich mit amerikanischen Kundinnen für längere Zeit zwischen den Polstermöbeln.
    Auch seine Freundin war Amerikanerin, wie so viele in der Kleinstadt am Rhein hängengeblieben. Sie hatte nur ein Bein, lange dunkle Haare und verriet mir, daß man lange Wimpern kriegt, wenn man sie regelmäßig mit Nivea bürstet.
    Abends, wenn genügend falsche Louis-seize-Uhren und selbstgemachte Barockspiegel ihre Abnehmer gefunden hatten, wurden ausgewählte Kunden und Freunde durch den Schuppen in den geheimen Garten geführt, der sich hinter Gestrüppverbarg. Er war überraschend groß, mit einer gemauerten Feuerstelle, einer alten Badewanne, in der das Bier gekühlt wurde, und der großen Figur einer Trauernden ohne Kopf. Es roch nach Holunder und Linden. Um die Feuerstelle herum standen Liegestühle, die mit mottenzerfressenen Perserbrücken bedeckt waren. Dort hielt Ponelle Hof, in seinem Zauberreich, wo er außer der Trauernden keinen Trödel duldete. Der Garten war tabu. Und gewiß ohne daß er das gewollt hatte, war ihm ein von vielen ehrgeizigen Gärtnern ersehntes Ideal gelungen: der Weiße Garten. Das heißt, der magische und von Vita Sackville-West kanonisierte Weiße Garten hatte sich selber gemacht, aus Knöterich und Ackerwinden, Margeriten, Kamille und Holunder, Heckenrosen, Weißdorn und Schlehen, mit einem Teppich aus Gänseblümchen. Vom Frühjahr bis zum Herbst blühte der geheime Garten weiß.
    In diesen drei Jahreszeiten habe ich ihn besuchen dürfen, ihn und seine seltsamen und schwer durchschaubaren Bewohner, von denen ich sicher war, daß es sich um ziemlich böse Typen handelte. Nicht, daß sie mit irgendwelchen Gewalttaten angegeben hätten. Es waren eher beiläufige halbe Sätze, auch ihre Art zu trinken, zu schweigen und zu lachen. Manchmal war die Rede von Orten, von denen ich nie gehört hatte, Dien Bien Phu zum Beispiel oder Oran. Irgendwo hatten sie irgendeinen Krieg verloren und sich zurückgezogen in diese zwielichtige Welt aus Schrott, merkwürdigen Geschäften und verzauberten Nächten. Ponelle hatte einen Plattenspieler ans Fenster seines Schuppens gestellt. Wenn die Platte mit Liedern von Gustav Knuth, Hanne Wieder und Hannelore Schroth zu Ende war, stand er auf, stieg ganz leicht schwankend die Leiter zum ersten Stock hinauf und legte Saint-Saëns oder Richard-Tauber-Arien auf. Sie redeten, tranken und schwiegen, meistens bis die Sonne über dem Gartenaufging. Dann fuhren die Kumpane weg, über Land, neue Ware besorgen. Oft standen verlotterte amerikanische Straßenkreuzer vor dem Schuppen, die nach Tagen verschwanden und anderen Platz machten.
    Ponelle blieb auf dem Hof und verkaufte schmachtenden Amerikanerinnen seinen Trödel – er bezeichnete jedes einzelne Stück als »Aus der Zeit« und lachte, als ich mal fragte: Aus welcher? Wenn er mit

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