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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Wirrwarrs und seiner von Kriegen gebeutelten Stadt. So ein Ort darf nicht zu luxuriös sein, nicht anmaßend. Neid kann schlimmer wüten als Feuer, das wird er gewußt haben. Auch andere Philosophen lehrten in Gärten, aber keinen verbindet die Überlieferung so eng damit wie Epikur.
    Was braucht ein Philosophengarten? Als wichtigstes:Schatten. Man kann in der prallen Sonne nicht vernünftig denken. Geschweige denn jene Kunst ausüben, die über das Denken hinaus ins Erfinden, Interpretieren, Entdecken und Systematisieren gerät. So sind Nietzsches Feigen gewiß wörtlich zu nehmen, Feigenbäume spenden einen schönen, ausladenden, tiefen Schatten und duften gut.
    Bei Diogenes Laertios steht, Philosophengärten seien mit Wegen, Rasenflächen und Standbildern ausgestattet gewesen. Aber genügt das, um ein Leben lang mit den verschiedensten Schülern und Interessierten der Wahrheit diskutierend nahezukommen? Man brauchte doch auch Verstecke, eingefriedete Gartenräume, in die sich kleinere Gruppen zurückziehen konnten. An einen Rasen kann ich nicht recht glauben. Womit hätte man ihn mähen sollen? Das Gras in Griechenland ist sommers fahl und dürr. Sappho dichtete, sie sei vor Liebe bleicher als Gras. So werden die Gartenwiesen im Sommer ausgesehen haben – bleich.
    Welche Büsche gab es damals, die die Aufgabe des Schützens und Verbergens erfüllen konnten? Lorbeer zum Beispiel. Der ist robust und dankbar, seine harten Blätter kommen mit Hitze gut zurecht. Hinter Lorbeerbüschen ist man unsichtbar. Sie sind immergrün, und während sie in unseren mitteleuropäischen Gärten oft übertrieben glatt und glänzend aussehen, irgendwie zu kompakt, sind Lorbeerpflanzen aus einem mittelmeerischen Garten nicht wegzudenken. Ganz anders aussehend, aber ähnlich geeignet, ist die Myrte. In der Antike schmückte man Heiligtümer mit ihren blühenden Zweigen. Sie ist fedrig, mit winzigen Blättchen, die, wenn man sie in der Hand reibt, einen sandelholzartigen Duft verbreiten. Sie wächst heftig – wenn man ihr die richtigen Bedingungen schafft, auch in unseren Breiten. In den Gärten des Hermannshofs in Weinheim wohnt eine, die dort vorzweihundert Jahren als Brautsträußchen angekommen war. Die Braut wünschte sich wohl haltbare Liebe und pflanzte ihr Sträußchen ein. Heute ist diese Myrte so groß wie eine Gartenhütte und bekommt im Winter ein eigenes Haus.
    Myrten gab es in Epikurs Garten sicher, als Sichtschutz und Duftspender. Sie haben aber einen Nachteil: Man kann sie nicht essen. Und wenn so viele Menschen an einem Ort immer wieder zusammenkommen und über Leben und Tod nachdenken, wollen sie doch auch etwas essen und trinken. Deswegen denke ich mir Nuß- und Obstbäume in Epikurs Garten. Einen Apfel- oder Erdbeerbaum vielleicht. Obwohl die Früchte des Erdbeerbaums ein bißchen fad schmecken, sind es doch besonders schöne Bäume mit maiglöckchenförmigen Blüten. Die Apfelbäume kommen schon bei Sappho vor, mehr als zweihundert Jahre früher. Einen Weinstock hat es bestimmt auch gegeben, oder mehrere, wobei nichts darauf schließen läßt, daß der Philosoph den Wein so schwärmerisch geliebt hat wie Sapphos Zeitgenosse Alkaios.
    Eine Mauer schließt den Garten und seine Gäste von der Außenwelt ab, aber vielleicht war es keine hohe Mauer. Die Wege? Wahrscheinlich aus gebrannten Ziegeln. Und es muß Sitzgelegenheiten gegeben haben, nicht jeder überlegt und disputiert gern im Gehen. Wenn man zu Schlüssen kommen will, setzt man sich doch meistens hin. Gemauerte Bänke und steinerne Tische stelle ich mir vor.
    Von seinen Zeitgenossen und Schülern muß Epikur über die Maßen geliebt und verehrt worden sein. Das hat die Nachwelt nicht ruhen lassen, man suchte ihm am Zeug zu flicken und ihn auf allerlei Art herabzusetzen. Kein Wunder, denn Lebensfreude ist ein verdächtiges Ding, wenn man sie zum Seinsgrund erklärt, erst recht. Absichtlich mißverstanden, wurde er von vielen Nachfahren als hemmungsloserHedonist und theoriefeindlicher Egoist geschmäht. Die Philosophen des neunzehnten Jahrhunderts nahmen ihn in ihrer Mehrzahl nicht ernst. Das hätte ihn wohl nicht gekümmert. Zum Wesen des Glücks, wie er es verstand, gehört eben, sich um Ruhm und Anerkennung nicht sonderlich zu scheren. Die Männer und Frauen, die sich in seinem Garten um ihn sammelten, wollten, seinen Gedanken folgend, das Glücklichsein lernen. Das war damals wahrscheinlich auch nicht einfacher als heute. Glück in Epikurs Sinn ist inneres

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