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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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Gartenneulingen, daß sie sich beim Abernten des Sauerkirschbaums Bauchschmerzen anfressen. Im Sündensinn heißt Völlerei die willenlose Kapitulation gegenüber den Verlockungen des Handels, obwohl doch jeder, der denen einmal erlegen ist, weiß, wie schlecht ihm das bekommt. Wer der Gartenvöllerei frönt, hortet in Kellern und Schuppen Maschinen, Sämereien, Gefäße und Knollen, für die er weder Platz noch Einsatzmöglichkeit in seinem Garten hat. Einen Sitzmäher zum Beispiel für achtzig Quadratmeter Rasen, auf die man das Monstrum nur hinstellen kann – wenden geht schon nicht. Superhacken, -spaten und -gabeln, von denen man nicht einmal die richtige Handhabung kennt, sonderbare Geräte mit martialischen Schraubgewinden, genug Hornspäne, um ein Rittergut fruchtbar zu machen, tausend Zyklamenknollen, für die man allerdings sehr viel unberührten Halbschattenplatz bräuchte, den man nicht hat.



Der Gartenvöllerei Verfallene sind Wiederholungstäter, jeder Sonnenstrahl läßt sie in Scharen in Baumärkten und Gartencentern einfallen. Man kann nun darüber spekulieren, wer an der unstillbaren Gier schuld ist, ob sie eine Krankheit, eine Droge oder das System ist – ich wage zu behaupten: So sehr man es verachtet und enthaltsam zu bleiben versucht, das Sich-Hineinstürzen in den Gartenüberfluß ist manchmal einfach großartig. Puristen und Gartenkorrekte mögen mit ihren selbstgesammelten Samen und selbstgezogenen Ablegern moralisch haushoch überlegen sein. Nie aber werden sie das köstliche Nachgiebigkeitsgefühl angesichts bunter Pflanzenozeane, rätselhafter Gerätschaften und unzähliger wahnsinnig teurer Knollen, Zwiebeln und Sämereien kennenlernen. Gartencenter ist wie nachts am Kühlschrank: Man weiß, daß es böse endet, aber es ist wunderbar.
    Ein Gegenmodell zum Geiz ist die Völlerei allerdings nicht, so leicht darf man es sich nicht machen. Etwas Sinnloses, Süchtiges haftet ihr an, am deutlichsten erkennbar im akuten Zustand: Der Wagen ist mit, sagen wir, fünf Ritterspornstauden schon überladen. Wo die hingepflanzt werden sollen, hat sich die Käuferin überhaupt noch nicht überlegt, Platz ist sowieso keiner da. Aber das Problem ist weit, nah hingegen eine sechste Staude, besonders schön von Wuchs und Farbe, nach der grade jemand greift. Das darf nicht sein, die Völlerei, die Gier will, daß aller Rittersporn hier und heute unser sei, dieser azurblaue und der helle da auch. Nirgendwo anders soll Rittersporn blühen als in unserem überfüllten Einkaufswagen. Eine Steige Lobelien, man kann ihre Farbe noch gar nicht erkennen, aber da hat eine Frau mit den Worten »Die werden zartrosa!« danach gegriffen. Das geht natürlich gar nicht, zartrosa Lobelien als Versprechen, die müssen unbedingt her. Also werden sie der Konkurrentin entrissen. Längstvergessen, daß wir uns eigentlich gar nichts aus Lobelien machen. Ebenso vergessen, daß unsere Kübel und Töpfe schon Doppelt- und Dreifachbesetzungen zu verkraften haben.
    Wir verleiben uns die Gärten anderer ein, auch und besonders dann, wenn der unsere nur ein Handtuch ist. Viel zu große Sträucher, viel zu viele Samentütchen, viel zu viele Gräser, Polster, Semperviven. Die Gartenvöllerei ernährt viele, manche bringt sie allerdings auch um. Da sehen wir dann die Leichen wertvoller Pyramidenhortensien in einer dunklen Ecke stehen, es muß eben alles im Überfluß dasein, und was zuviel ist, soll ruhig zugrunde gehen.
    Manchmal nehmen wir so ein armes Geschöpf mit heim, um unser Gartengewissen zu beruhigen. Da gibt’s dann zwei Möglichkeiten: Die gerettete Pflanze belohnt uns durch überschwengliche Pracht, das ist aber sehr selten. Meistens bleibt sie ein ewiger Pflegefall, mürrisch und mager.
    Die letzte Todsünde ist die Faulheit, und sie ist gewiß die läßlichste von allen. Eigentlich ist sie, richtig ausgeübt, eine Station auf dem Weg zur Seligkeit. Sonderbarerweise muß man für die richtige Gartenfaulheit allein sein. Den Partner beim Faulsein zu beobachten ist genauso unzumutbar, wie sich selber dabei beobachten zu lassen. Irgend etwas muß ja immer getan werden. Wenn einer innehält und herumliegt und genießt, was unter Umständen zur Todsünde Wollust führen könnte, ist das für den anderen unerträglich. Mit Sicherheit fällt ihm oder ihr eine dringende Arbeit ein, die er oder sie nicht beziehungsweise nicht allein erledigen kann.
    Faulheit zeugt Ideen. Der ziellos schweifende Blick des in einer Hängematte

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