Gartengeschichten
niedergetretene Pflanzen aufrichtete und Feuerstellen wieder mit Erde bedeckte. Wenn man ihn darauf ansprach, lächelte er schief und sagte, es sei doch gut, daß die Leute sich hier wohl fühlten. Ich glaube nicht, daß es auch nur einen der Feiernden interessierte, wem sie das sonderbar schöne Stück Erde da verdankten.
Solange sie mir nicht helfen wollen, macht es mir nichts aus, sagte er noch. Das sollte heißen, eine gelegentliche gutmütige Zerstörung und ein bißchen Klauen waren für ihn leichter zu ertragen als der Wunsch von jemandem, mitgestalten zu wollen. So ein hergelaufener Möchtegerngärtner würde sicher unschuldige Äste abschneiden oder etwas Gelbes neben etwas Rotes pflanzen, behüte!
Wahrscheinlich hat er in seinen Gartenstunden oft über Liebe und Besitz nachgedacht und darüber, daß einem das eine ohne das andere ziemlich schwergemacht wird. Zu oft hatte er einen Ort verlassen müssen, den er zum Wachsen und Blühen gebracht hatte und der nun hilflos der gleichgültigen Welt preisgegeben war – denn ignorant waren alle außer ihm, was Gärten betraf. Das denkt jeder leidenschaftliche Gärtner. Manchmal nahm er etwas mit, aus dem verlorenen Garten in den nächsten, den es urbar zu machen galt. Das konnte ein besonders empfindliches Gewächs sein, ein Beutelchengesammelte Samen, ein Steckling. Manchmal grub er auch behutsam kleinere Bäume aus und parkte sie in Kübeln, bis er eine neue Heimat für sie gefunden hatte.
Ganz ohne Garten war er meines Wissens kaum jemals, auch wenn es manchmal schwierige Notlösungen waren, vergessene Brachen hinter irgendwelchen Parkplätzen oder der ungeliebte Schrebergarten von Freunden. Er machte sich keine Illusionen: Nach einem halben Jahr unter seinen Händen würden die Freunde ihren Schrebergarten plötzlich lieben, sie würden behaupten, sich jetzt selber regelmäßig um ihn kümmern zu wollen – und im folgenden Jahr wäre alles Schöne und Besondere wieder zunichte.
Vielleicht kann andauernder Abschiedsschmerz einen Gartenmenschen umbringen – zumindest aber macht er ihn zum Umstürzler, zum stillen, zornigen Revolutionär.
Warum darf man nicht auf Lebenszeit behalten, was man doch erschaffen hat? Warum dürfen seelenlose Geldsäcke abhacken, umgraben, wegschneiden, roden und vergiften lassen, was ihnen paßt? Sie tun es ja nicht einmal selber, die Gartenmörder, wenn sie irgendwo einen Supermarkt oder eine Tankstelle hinbauen wollen, schicken sie gedungene Killer mit Kettensägen und Baggern, sie haben die Zeder, den Apfelbaum, die Magnolie, denen sie in einer einzigen Stunde den Garaus machen lassen, nie persönlich kennengelernt. Der Gärtner aus Liebe gerät in ein nicht nur politisch auswegloses Dilemma: Besitz zu verabscheuen und gleichzeitig zu ersehnen. Denn der Allmächtige hat Millionen potentieller Gärten über die Erde verstreut, gleichzeitig aber den größten Teil der Menschheit grob und geldgierig gemacht. So denkt der besitzlose Gärtner, während der besitzende sich gemeinhin mit dem ihm zugeteilten Stück zufriedengibt und vollauf damit beschäftigt ist, selber Schöpfer zuspielen. Der Trick funktioniert im allgemeinen gut, nur ihm ist es zu verdanken, daß es nicht mehr Aufruhr in der Welt gibt.
Es kam, wie es kommen mußte: Er zerstritt sich mit den Theaterleuten und sollte das Feld räumen. Dazu muß man sagen, daß er mit seinen Gärten meistens auch seine Wohnung verlor. Das schien keine große Rolle zu spielen, niemand wußte genau, wie und wo er eigentlich hauste, und daß bei seiner zähen und unguten Trennung von den Theaterleuten eine nach Tausenden zählende Blumenvasensammlung auftauchte, die sein einziges Eigentum bildete, paßte zu ihm. Diesmal konnte er seine Bitterkeit nicht verbergen. Überall, auch bei mir, bat er um Asyl für seine Theatergartenpflanzen, die er nicht einem armseligen Weitervegetieren überlassen wollte. Es waren eben doch einige schöne Stauden zusammengekommen, die sich nicht wie seine geliebten Einjährigen im Herbst ohnehin verabschieden würden. Für die suchte er nun Zufluchtsorte, mit der Maßgabe, daß man sie ihm, wenn ein neuer Garten gefunden sei, wieder überließe. Bei mir landeten drei einzigartige rosa Päonien. Sie sind immer noch da, haben für drei Tage im späten Frühjahr einen grandiosen Auftritt und nehmen die restlichen dreihundertzweiundsechzig Tage Platz weg.
Zum erstenmal wohl wirklich gartenlos vagabundierte er nun durch die Szene, manche bedauerten ihn, den
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