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Gartengeschichten

Gartengeschichten

Titel: Gartengeschichten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Demski
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und verschone sie unbedingt mit Hinweisen auf das Gelungensein irgendwelcher Gewächse. Am besten ist, man unterhält sich mit ihnen genau über das, worüber man sich auch an jedem anderen Ort mit ihnen unterhielte: Regietheater, Promotionsordnung, Kriminalität, Lagerfeld – egal. Nur nichts Florales. Der CO 2 -Ausstoß ist in diesem Zusammenhang ein Grenzfall. Fingerspitzengefühl ist ebenso gefragt wie Selbstverleugnung, die nötig wird, wenn eine dieser Frauen direkt neben der in cremefarbener und goldener Vollblüte stehenden Gloria Dei sitzt und sie offenbar nicht sieht. Oder, was noch schlimmer ist, sagt: Hübsch. Sind das Rosen? Niemals darf man auf so eine Frage antworten, nicht herablassend (Wonach sehen sie denn aus?) und schon gar nicht belehrend (Es ist eine ganz besondere Sorte, eine alte Rose, Erstzüchtung 1945, in X. wird sie von Herrn Y. gezüchtet). Unsere Gesprächspartnerin wäre höflich angeödet, und wir wären künftig für wichtige Themen gestrichen.
    Es wäre falsch zu glauben, daß man mit Frauen dieser Art nicht befreundet sein kann, wenn man sein Herz an irgendein Stück Erde verschenkt hat. Man darf nur nicht missionieren. Und vielleicht ist das Mißtrauen – denn darum handelt es sich bei den Gebildeten unter den Gartenverächterinnen – ein paar Gedanken wert.
    Das Mißtrauen richtet sich gegen alles letztlich Unbeeinflußbare. Gegen die Notwendigkeit, sich in dumpfer Ergebenheit zu üben und sich selber immer wieder mit dem Versprechen zu betrügen, ein Garten gelange vielleicht erst nach der zugemessenen gemeinsamen Lebensspanne zu seiner vollen Schönheit. Solche grenzmystischen Ungenauigkeiten sind der echten Intellektuellen ein Greuel. Und das kann man auch verstehen. Man kämpft ja selber nicht selten mit dem Gefühl einer großen Vergeblichkeit, in die das widerspenstige Stück Boden einen tückisch verwickelt hat.
    Man mag selber das System von Strafe und Belohnung, das jedem Garten auf seine besondere Weise eigen ist, durchschauen. Aber wie will man jemandem, der grade Finnegans Wake übersetzt oder Hieronymus Bosch enträtselt, das Entzücken über ein Büschel gelben Seidenmohns an unvermuteter Stelle erklären? Man kann es nicht. Man hat ja nichts zum Erscheinen der Blumen beigetragen, die nun so unvergleichlich aussehen, sie sind kein Verdienst und nichts Erreichtes, und eigentlich sind sie ja eine Art Unkraut. Mit irgendwelchen schwer errungenen Zuchterfolgen auftrumpfen zu wollen ist noch peinlicher. Also bleibe man mit dem beschlagenen Glas und der intellektuellen Freundin im Schatten sitzen und höre ihr über Joyce oder Bosch zu. Mit sehr viel Glück könnte der Mohn auf einem Umweg zurückkommen, papieren oder gemalt: auch nicht übel.
    Bei intellektuellen Männern, die sich in unseren Gartenverirren, trifft man in der Regel auf ein schwer entflechtbares Gewirr aus Furcht, Langeweile, Besorgnis, Neugier und Unsicherheit. Das Ganze wird gemildert durch jenes vage Wohlbefinden, das sich an einem schönen Tag in einem Garten fast zwangsläufig auch bei denen einstellt, die dem Treiben der Natur argwöhnisch gegenüberstehen. Aber zunächst muß man den großen Vorteil betonen, der dem Zusammensein mit einem intellektuellen Mann im Garten innewohnt: Er wird einem nicht dreinreden, niemals. Er kann prinzipiell einen Kaktus nicht von einem Kopfsalat unterscheiden, aber er nimmt das nicht wie manche Frauen als Beweis seiner intellektuellen Überlegenheit. Manchmal stellt er aus Höflichkeit rührende Fragen, die ihn als Bewohner eines anderen Kontinents ausweisen: Ob so ein Garten nicht viel Arbeit mache und wie man diese Büsche da so rund gekriegt habe. Man muß ihm nicht antworten. Allerdings keimt manchmal das Interesse des intellektuellen Mannes an unvermuteter Stelle, zum Beispiel bei technischen Dingen wie einer Bewässerungsanlage oder einem besonders komplizierten Gartengerät. Die Garteninhaberin hat womöglich beides längst für unbrauchbar erklärt – schließlich verfolgt uns seit langem die schmerzliche Erinnerung an ein Gartenfest, bei dem das Bewässerungswasser durch einen Schaltfehler unter die Röcke und in die Hosenbeine der Gäste schoß. Grade durchdachte, teure Gartengeräte vermitteln oft den Eindruck, wir seien zu blöde und zu ungeschickt für sie. So was schauen sich kluge Männer gern an, geben Bedienungsempfehlungen und machen Vorschläge. Das hat einen einfachen Grund: Werkzeuge vermitteln den Eindruck von Beherrschbarkeit. Das Land –

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